Dämenkind 2 - Kind der Götter
Tristan mit sattem Lächeln der Befriedigung.
»Gibt Vater dir Geschütz mit?«
Schlagartig wich das Lächeln aus Tristans Miene. Er äugte im Korridor nach links und rechts, bevor er die Frage mit gedämpfter Stimme beantwortete. »Nein, und ich bin mir keineswegs sicher, dass die Karier jemals irgendwelche Kanonen zu sehen bekommen werden.«
»Aber er hat es ihnen versprochen.«
»So gut wie ich weißt doch auch du, was die Versprechen unseres Vaters wert sind. Er nimmt mit Freuden ihr Gold und ihr Holz, und er gibt zum Zeichen des guten Willens seine Tochter als Braut nach Karien; etwas so Gefährliches wie Geschütze jedoch will er den Kariern in Wahrheit nicht überlassen. Auf sein Geheiß ist in Talabar jeder, der nur aus Prahlerei behauptet hat, Schießpulver herstellen zu können, in den Kerker geworfen worden.«
»Es ist möglich, dass er lediglich den Preis in die Höhe treiben will.«
»Vielleicht.«
»Also besteht das für den Norden bestimmte Regiment bloß aus leichter Reiterei?«
Wachsam nickte Tristan. »Zum überwiegenden Teil. Was hast du im Sinn, Adrina?«
»Nichts«, beteuerte Adrina. »Zumindest vorläufig nicht. Kannst du mir, noch ehe wir segeln, ein Verzeichnis sämtlicher Angehöriger des Regiments verschaffen? Und ich möchte erfahren, wer auf Hablets Befehls eingesperrt worden ist.«
»Warum?«
Adrina missachtete die Frage. »Ich habe überdies ein drittes Anliegen an dich. Finde heraus, weshalb Cratyns Begeisterung über die angesagte Vermählung so offenkundig gering bleibt.«
»Wahrscheinlich ist schon mancherlei über dich an seine Ohren gedrungen«, meinte Tristan.
Zwar streifte Adrina ihn mit einem ungnädigen Blick, aber im Übrigen ließ sie ihm die Bemerkung durchgehen. »Mag sein, doch habe ich das Gefühl, es könnte sehr wohl mehr dahinter stecken. Und falls es sich so verhält, will ich es wissen.«
»Wie Ihr befehlt, Eure Durchlaucht«, sagte Tristan, indem er eine spöttische Verbeugung vollführte.
»Eines noch«, sagte Adrina, als sie sich zum Gehen wandte. »Spricht in dem bewussten Regiment jemand Karisch?«
»Soviel mir bekannt ist«, antwortete Tristan, »beherrschen es fast alle Männer.«
»Dann erteile ihnen als Erstes die Anweisung, ihre Sprachkenntnis vorerst zu verheimlichen«, sagte Adri
na. »Deine Männer sollen sich taub fürs Karische stellen. Es ist mein Wunsch, die Karier glauben zu machen, dass das Regiment, dich eingeschlossen, ausschließlich meine Gebote versteht. Wenn ich schon diesen schlechten Scherz durchleiden muss, soll es wenigstens zu meinen Bedingungen geschehen.«
Tristan hielt sein Wort, und am frühen Nachmittag konnte Adrina die Namen aller Angehörigen ihres Leibgarderegiments nachlesen und ebenso aller Männer und Frauen, die auf Hablets Befehl vor der Ankunft des karischen Kronprinzen eingekerkert worden waren, um zu verhüten, dass das Geheimnis des Schießpulvers in die falschen Hände fiel. Adrina sah beide Aufstellungen mit genauer Sorgfalt durch. Die Namen der ersten Auflistung besagten ihr zum überwiegenden Teil wenig; ein paar hatte sie beiläufig bei Hofe gehört, jedoch war es ihr nie gestattet worden, mit Tristans Kameraden Umgang zu pflegen. Als erheblich aufschlussreicher erwies sich das zweite Verzeichnis. Sie frohlockte, als sie während sorgsamen Durchlesens auf einen Namen stieß, den sie kannte; zumindest seinem Ansehen nach wusste sie über den Mann Bescheid.
Den Rest des Tages verbrachte Adrina damit, ihre Sklavinnen schier in den Irrsinn zu treiben, indem sie, um entscheiden zu können, was sie für die Reise in den Norden einpacken sollte, ihre sämtlichen Kleiderschränke ausräumen ließ. Gegen Ende des Nachmittags bedeckten den Fußboden ihrer Gemächer zuhauf ein für alle Mal verworfene Gewänder. Zu guter Letzt erklärte Adrina mit lauter Stimme, sie habe nichts anzuziehen,
und schon gar nichts, was einer künftigen Königin entspräche. Dabei wütete sie dermaßen eindrucksvoll, dass alle Bewohner des Palasts ihr aus dem Weg eilten. Bei Anbruch der Abenddämmerung ließ Hablet ihr ausrichten, sie dürfe einen Schneider ihrer Wahl heranziehen und bei ihm nach Belieben Bestellungen aufgeben.
Am folgenden Morgen suchte Meister Mhergon, der Königliche Schneider, sie auf, bang ein Bündel von Stoffproben unter den Arm geklemmt. Adrina lehnte es ab, sich mit ihm abzugeben, und verlangte stattdessen nach Japinel. Er sei, behauptete sie, der einzige Schneider in Talabar, den man einer solchen
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