Dämenkind 2 - Kind der Götter
Neffen. Ich bezweifle, dass er ihn nach Medalon entsandt hat.«
»Dann bringt in Erfahrung, weshalb der junge Wulfskling nach Norden gezogen ist. Ich wünsche in Hythria freies Feld, Lecter. Ich will keiner Hüter-Legion in die Arme laufen. Wulfskling muss sterben.«
»Mit Gewissheit halten die Karier Euch die Hüter vom Hals, Eure Majestät, und meines Erachtens kann man sich darauf verlassen, dass sie den hythrischen Kriegsherrn zermalmen. Warum sonst sollten wir Ka
rien im bevorstehenden Krieg gegen Medalon Beistand leisten?«
»Ich hoffe, Ihr habt Recht, Lecter, denn geht mein Plan nicht auf, stehe ich wahrhaftig übel da.«
Ehe Lecter Turon abermals eine seiner unterwürfigen Antworten geben konnte, wurde die Tür geöffnet, und herein kam, begleitet von seinem Gefolge, der karische Kronprinz. Überschwänglich begrüßte Hablet die Abkömmlinge und befahl den Wachen, ihnen Stühle zu bringen.
Lecter Turon vollführte eine tiefe Verbeugung und trollte sich im Rückwärtsgang zum Audienzsaal hinaus, um den König mit seinen Gästen allein zu lassen.
4
ALLE AUGEN BEOBACHTETEN ADRINA, während sie durch den lang gezogenen Gang schritt. Als wollte das Schicksal sie verspotten, kam ihr unversehens vom anderen Ende, seine Pfaffen im Schlepptau, der karische Prinz entgegen.
Mit Ausnahme der Tanzveranstaltung anlässlich seiner Ankunft vor einer Woche hatte Adrina den jungen Kronprinzen nicht gesehen, und sie schätzte sich deswegen durchaus glücklich. Den ganzen Abend hindurch war sein Gesicht zu beachtenswert verschiedenartigen Abstufungen von Rosarot angelaufen, und zwar jedes Mal, wenn sein Blick auf die nackte Bauchwölbung einer Fardohnjerin gefallen war. Weil jede der fast zweihundert anwesenden Frauen bauchfreie Kleidung getragen hatte, war er gegen Ende des Abends einem Schlaganfall nahe gewesen.
Flüchtig erwog Adrina, nun sofort, gleich hier im Flur, irgendetwas dermaßen Abstoßendes anzustellen, dass die Karier sie unweigerlich als Braut ablehnen müssten. Aber da gewahrte sie den erwartungsvollen Ausdruck in Lecter Turons feistem, selbstgefälligem Gesicht, als er aus einer Tür schlüpfte, um sich zum König zu begeben, und sie verwarf den Gedanken. Mit Bestimmtheit ließ er sie überwachen.
Sie blieb stehen und wartete aufs Näherkommen des Kronprinzen. Zwar zeichnete ihn eine hoch gewachsene Gestalt aus, jedoch gab er sich stets ernst und langweilig, sodass Adrina ihn schwerlich als anziehend empfand, aber immerhin, so vermutete sie, hatte er Benehmen. Wenigstens wusste er, wie man mit geschlossenem Mundwerk kaute. An Körpergröße überragte er sie nur wenig, und er hatte wenig schmuckes, braunes Haar sowie Augen im Farbton trockenen Lehms.
»Seid mir gegrüßt, Prinz Kretin «, sagte Adrina und reichte ihm die Hand. Der Alte an Cratyns Seite wirkte leicht verärgert, weil sie als Ebenbürtige vor den Kronprinzen trat, ihm selbst hingegen fiel es anscheinend gar nicht auf: Es beanspruchte ihn viel zu stark, die Perle in ihrem Nabel anzustieren. »Mein Vater hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass wir vermählt werden.«
Verdutzt ließ Cratyn ihre Hand aus seinen Fingern gleiten, hob ruckartig den Kopf und schaute ihr in die Augen. Kurz betrachtete er erstaunt ihr bläulich verfärbtes Auge, verzichtete in diesem Zusammenhang aber auf jede Äußerung. Stattdessen nickte er – und zwar, wie Adrina voller Interesse bemerkte, reichlich trübsinnig.
»Karien heißt Fardohnjas allerhöchste Tochter willkommen, Eure Durchlaucht«, antwortete er in seinem kantigen Karisch. »Wir sehen zwischen unseren beiden großen Völkern ein neues Zeitalter der Freundschaft und des Gedeihens heranrücken.«
Im Hintergrund kicherte jemand über diese Schwärmerei. Verwundert musterte Adrina den Kronprinzen und fragte sich, ob er wirklich so schlichten Geistes sein konnte, wie man anhand seines Geschwafels befürchten musste.
»Freudig blicke ich der begeisterungswürdigen Gelegenheit entgegen, Fardohnja und Karien zu dienen, Eure Hoheit«, beteuerte Adrina höflich auf Karisch, allerdings ohne von der Tonlage des heimatlichen Fardohnjisch abzuweichen. Was ihm recht war, sollte ihr billig sein, und Adrina wusste, wenn ihr danach war, bedeutungslose Plattheiten in zahlreichen Sprachen daherzuhaspeln. »Nun bitte ich Euch, mich zu entschuldigen, ich muss Vorbereitungen für die Reise treffen.«
Cratyn trat beiseite und nötigte so seine Begleiter, das Gleiche zu tun.
In königlicher Haltung setzte Adrina
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