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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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entscheidenden Augenblick bewiesen hatte! Voller Mitleid blickte sie auf ihr früheres Misstrauen zurück, auf erbärmliche Regungen wie Eifersucht und Argwohn, auf die Momente, in denen selbst ihre Angehörigen vor ihren krankhaften Befürchtungen nicht sicher gewesen ware n …
    Wie absurd und weit weg schien all das jetzt zu sein! Jim kam übermorgen zurück. Lita und das Kind fuhren zu ihm nach Hause. Am Tag danach würden sie alle in die Stadt zurückkehren, und das Zeremoniell für den Empfang des Kardinals erhielte den letzten Schliff. Oh, sie und Powder würden alle Hände voll zu tun haben! Das gesamte vergoldete Silbergeschirr musste aus dem Tresorraum geholt und poliert werde n … Zum Glück klangen die jüngsten Berichte über Mrs Bruss’ Zustand positiv, und bestimmt war Maisie bald wieder wie gewohnt zur Stell e … Ja, das Leben glitt tatsächlich in die gewohnten geschäftigen und erfreulichen Bahnen zurück. Die Ruhe auf dem Land war gut und schön, aber wenn man es mit der Ruhe übertrieb, wurde sie anstrengen d …
    Sie lag schon im Bett, das Licht war aus, und sanft senkte sich der Schlaf auf sie hernieder.
    Bevor er sie umfing, hörte sie noch in nebelhafter Ferne die Schritte ihres Mannes, das Öffnen und Schließen seiner Tür und die gedämpften Geräusche des Entkleidens. Gu t … er war also wieder d a … und Lit a … diese verrückte Lit a … gar nichts passier t … schon gut, dass sie dem armen Arthur nicht begegnet ware n … Alles in Ordnun g … der Kardina l …
    30
    Plötzlich saß Pauline aufrecht im Bett. Es war, als hätte eine unsichtbare Hand eine Feder in ihrem Rückgrat berührt und sie in der Dunkelheit aufgerichtet, noch ehe sie sich eines Grundes bewusst wurde.
    Zweifellos hatte sie im Schlaf etwas gehört, aber was? Sie horchte, ob sich das Geräusch wiederholte.
    Alles war still. Sie streckte die Hand nach einem Onyxknopf auf dem Nachttisch aus, augenblicklich leuchtete das Zifferblatt einer winzigen Uhr auf, und es erklangen leise zwei Schläge, etwas später ein weiterer. Halb drei – die stillste Stunde der Nacht, und das in der Frühlingsruhe von Cedarledge! Trotzdem war da ein Geräusch gewesen – ein lauter Knal l … Da, wieder! Ein Revolverschus s … irgendwo im Hau s …
    Einbrecher?
    Schon steckten ihre Füße in den Pantoffeln, und ihre Hand lag auf dem Lichtschalter. Dabei lauschte sie weiterhin angespannt. Überall Totenstill e …
    Aber wie kamen Einbrecher ins Haus, ohne die Alarmanlage auszulösen? Ach, da fiel es ihr wieder ein! Powder hatte Anweisung, sie nicht einzuschalten, solange sich noch jemand außerhalb des Hauses befand; Dexter hätte dafür sorgen müssen, dass sie eingeschaltet wurde, als er mit Lita aus Greystock zurückkam. Und natürlich hatte er es vergessen.
    Pauline war schon auf den Beinen, hatte das Haar unter dem stirnbandähnlichen Häubchen aus silberner Spitze glattgestrichen und das «Ruhekleid» aus silbriger Seide über das Nachthemd gezogen. Dieses Notgewand lag immer neben ihrem Bett, falls es nachts einen Alarm gab; im Nu war sie gerüstet, hatte die Alarmanlage eingeschaltet und den Sammelruf für Powder und die Kammerdiener, Gärtner und Chauffeure ausgelöst. Ihre Hand glitt unschlüssig über die komplizierten Tasten des blitzenden Schaltbretts, das in die Vertäfelung ihres Ankleideraums eingelassen war, dann drückte sie den Knopf mit der Aufschrift «Feuerwache». Warum auch nicht? In letzter Zeit hatte es in den Vorstädten eine Reihe schlimmer Einbrüche gegeben, und man wusste ni e … Besser, man weckte die Nachbar n … Dexter war so sorglos. Höchstwahrscheinlich hatte er die Haustür offen gelassen.
    Immer noch Stille – tiefer denn je. Kein Ton seit jenem zweiten Schuss, wenn es denn ein Schuss gewesen war. Leise öffnete sie die Tür und blieb im Vorraum zwischen ihrem Zimmer und dem ihres Mannes stehen. «Dexter!», rief sie.
    Keine Antwort, kein aufflammendes Licht als Reaktion. Männer schliefen immer so tief. Sie öffnete die Tür, schaltete das Licht an. «Dexter!»
    Das Zimmer war leer, das Bett ihres Mannes unberührt. Aber was war das dann gewesen? Diese Geräusche bei seiner Rückkehr? Hatte sie nur geträumt? Oder hatte sie gehört, wie die Einbrecher sein Zimmer plünderten, ein paar Schritte von ihr entfernt? Trotz aller Beherztheit überlief sie ein Schauder…
    Aber wenn Dexter und Lita noch nicht zurück waren, woher war dann der Schuss gekommen, und wer hatte ihn abgefeuert? Sie

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