Dämmerschlaf - Roman
dass Lita kein einziges Mal von Hollywood gesprochen hat und übermorgen zu ihrem Mann nach Hause fährt, schien ihn das völlig zu beruhigen. Kam er dir nicht auch viel ruhiger vor, als er abfuhr?»
«Ja, er war auf jeden Fall ruhiger. Aber ich hatte den Eindruck, dass er vor allem Lita sehen wollte.»
Pauline holte tief Luft. «Ja. Alles in allem war ich froh, dass sie nicht da war. Lita hat es nie verstanden, mit Arthur umzugehen, und ihr Verhalten ist manchmal aufreizend. Womöglich hätte sie etwas gesagt, was ihn wieder aufgeregt hätte. Ich war wirklich erleichtert, als dein Vater anrief, sie hätten sich entschlossen, in Greystock zu essen – obwohl ich merkte, dass Arthur auch das merkwürdig fand. Seine Einstellung hat sich kein bisschen verändert, er ist noch immer so altmodisch wie seine Mutter.» Sie schwieg einen Augenblick, dann fuhr sie fort: «Du bist ein wenig erschrocken, als ich ihn fragte, ob er nicht über Nacht bleiben möchte. Aber ich wollte nicht ungastlich wirken.»
«Nein, nicht in diesem Haus», pflichtete ihr Nona mit einem raschen Lächeln bei. «Und man wusste ja, dass er nich t …»
Pauline seufzte. «Der arme Arthur! Er ist immer so übertrieben förmlich.»
«Es war nicht nur das. Er hat entsetzlich gelitten.»
«Wegen Lita? Das ist doch albern! Als ob er sie uns nicht anvertrauen könnt e …»
«Nicht nur wegen Lita. Schon die Tatsache, dass er hier war, dass sein ganzes früheres Leben auf ihn einstürzte. Er wirkte völlig unvorbereitet – als sei es ihm tatsächlich gelungen, all die Jahre überhaupt nicht daran zu denken. Und plötzlich war es da, wie die Halluzination eines Ertrinkenden. Wie ein Ertrinkender – so sah er aus.»
Pauline richtete sich ein wenig auf, und Nona konnte beobachten, wie sich ihre Stirn zu leichten Runzeln zusammenschob. «Was du immer für schreckliche Gedanken hast! Ich fand, er hat nie besser ausgesehen, jedenfalls hat er sich beim Abendessen mit dem Wein zurückgehalten.»
«Ja, darauf hat er schon geachtet.»
«Und ich auch. Ich habe Powder einen Hinweis gegeben.» Ihre Stirn glättete sich, und mit einem Seufzer lehnte sie sich wieder zurück, diesmal war es ein Seufzer der Erleichterung. Von Nonas morbiden Vergleichen werde sie sich keinesfalls aus der Ruhe bringen lassen, schien ihr Blick zu sagen – jetzt, wo alles vorüber war und sie allen Grund hatte, sich zu ihrem Anteil am Erfolg zu beglückwünschen.
Nona (aber so war sie eben!) wirkte weniger überzeugt. Sie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: «Eines habe ich dir noch nicht erzählt. Auf dem Weg nach unten zum Dinne r …»
«Was denn, Liebes?»
«Ich bin ihm auf dem oberen Treppenabsatz begegnet. Er wollte das Kind sehe n … das war doch mehr als verständlic h …»
Pauline zog nervös die Lippen ein. Sie hatte gedacht, sie hielte alle Fäden in der Hand, doch dieser ein e … Zögerlich gab sie ihr recht: «Völlig verständlich.»
«Das Kind schlief und sah gesund und munter aus. Er stand lange vor dem Bettchen. Zum Glück war es nicht das alte Kinderzimmer.»
«Ich muss schon sagen, Nona! Er konnte doch nicht erwarte n …»
«Nein, natürlich nicht. Als wir dann nach unten gingen, sagte er: ‹Komisch, wie sehr das Kind immer mehr Jim ähnelt. Erinnert mich an das alte Porträt.› Und er stieß hervor: ‹Könnte ich es sehen?›»
«Was – den Sargent?»
Nona nickte. «Hätte ich es ihm verweigern sollen?»
«Auch das war wohl mehr als verständlich.»
«Ich habe ihn in Vaters Arbeitszimmer geführt. Er schien sich an jeden Schritt des Weges zu erinnern. Er stand da und schaute immerzu das Bild an. Er sagte nicht s … gab keine Antwort, wenn ich etwas sagt e … Ich merkte, dass es ihm durch und durch ging.»
«Schau, Nona, was vergangen ist, ist vergangen. Manchmal laden sich die Menschen selbst Dinge au f …»
«Oh, ich weiß, Mutter.»
«Manch einer würde es vielleicht seltsam finden, dass er hier im Haus herumspaziert ist – und dass er überhaupt mit einem so heiklen Anliegen hier war! Aber ich mache ihm keine Vorwürfe, und ich möchte, dass auch du ihm keine machst», fuhr Pauline entschlossen fort. «Am Ende ist es ganz gut, dass er gekommen ist. Im ersten Augenblick war er vielleicht ein wenig aufgeregt, aber es ist mir gelungen, ihn zu beruhigen. Auf jeden Fall habe ich ihm bewiesen, dass alles in Ordnung ist und er sich auf Dexter und mich verlassen kann: Wir wissen, was für Lita am besten ist.» Sie schwieg kurz, dann
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