Dämmerschlaf - Roman
getrunken?»
Er ließ sich den anderen Sessel unterschieben, lehnte aber den Kaffee ab. Er habe gefrühstückt, bevor er aufgebrochen sei, sagte er, aber sie kannte Litas Haushalt und glaubte ihm nicht.
«Irgendwelche Schwierigkeiten mit Punkt A?»
«Schwierigkeiten? Nein. Das heiß t …»
Sie hatte die Frage aufs Geratewohl gestellt, in der unbestimmten Hoffnung, Zeit zu gewinnen, bevor Litas Name fiel, und nun hatte sie das Gefühl, unabsichtlich an ein anderes Problem gerührt zu haben.
«Das heiß t … nun ja, er ist wieder nervös und zappelig, ist dir das aufgefallen?»
«Ja, das ist mir aufgefallen.»
«Er bildet sich alles Mögliche ei n … In was für einer komplizierten Welt unsere Vorfahren lebten, findest du nicht auch?»
«Na, ich weiß nicht. Mutters Welt scheint mir immer erschreckend einfach zu sein.»
Er überlegte. «Ja, das hat sie wohl von den Pionieren und Automobilbauern. Dafür sind die alten New Yorker Sippen mit vielen Tabus geschlagen. Der arme Vater will immer, dass ich mich wie ein Ritter der Tafelrunde aufführe.»
Ihr Gedächtnis durchforstend, hob Nona die Brauen. «Wie haben die sich denn aufgeführt?»
«Sie haben anderen Kerlen gern eins übergezogen.»
Sie spürte, wie ihr kurz der Atem stockte. «Wem genau sollst du denn nach seinem Wunsch eins überziehen?»
«Oh, so weit sind wir noch nicht. Es geht nur ums Prinzip. Jedem, der Lita zu scharf anschaut.»
«Da müsstest du aber um dich schlagen! Alle schauen Lita scharf an. Wie um alles in der Welt soll sie das verhindern?»
«Das habe ich auch gesagt. Aber er behauptet, es fehle mir an der Gesinnung eines Gentleman. Vermutlich meint er: an Mumm.» Er lehnte sich zurück und verschränkte müde die Arme hinter dem Kopf, das fahle Gesicht mit den halb geschlossenen Augen zur Zimmerdecke gerichtet. «Meinst du, Lita denkt auch so?», stieß er plötzlich hervor.
«Dass du anderen Leuten ihretwegen den Schädel einschlagen solltest? Sie wäre die Erste, die dich auslachen würde!»
«Das habe ich ihm auch gesagt. Aber er behauptet, Frauen verachten einen Mann, der nicht eifersüchtig ist.»
Nona saß stumm da und wandte unwillkürlich den Blick von seinem sorgenvollen Gesicht ab. «Warum solltest du eifersüchtig sein?», fragte sie schließlich.
Er änderte seine Haltung, legte die Hände auf die Knie, senkte den Blick und sah ihr in die Augen. Erbarmungswürdig, dachte sie, wie diese jugendliche Bläue von unbegreiflichem Schmerz entstellt wurde.
«Vermutlich gibt es dafür nur selten gute Gründe», sagte er sehr leise.
«Nein, deshalb ist es ja so albern – und kleinlich.»
«Egal, was es ist. Sie schert sich keinen Deut darum, ob ich eifersüchtig bin oder nicht. Sie schert sich überhaupt nicht um mich. Für sie habe ich einfach aufgehört zu existieren.»
«Dann kannst du ihr auch nicht im Weg stehen.»
«Doch, anscheinend schon. Weil ich für die anderen sehr wohl existiere und weil ich der Vater des Jungen bin. Der bloße Gedanke daran geht ihr schon auf die Nerven.»
Nona lachte ein wenig bitter. «Sie braucht ganz schön viel Bewegungsfreiheit, nicht wahr? Und wie will sie dich loswerden?»
«Oh, ganz einfach. Scheidung.»
Beide schwiegen. So also klang dieser schlichte, begreifliche Wunsch aus dem Mund des Partners, der noch an der Verbindung interessiert war! Von dieser Seite hatte sie die Frage in letzter Zeit gar nicht mehr betrachtet, und welch abscheuliche Fratze erblickte sie jetzt hinter diesem jungenhaften, von der Qual eines Mannes verzerrten Gesicht!
«Jim, Lieber – tut es so weh?»
Er zuckte vor ihrer ausgestreckten Hand zurück. «Weh? Das muss man schon aushalten können. Es kann nicht mehr wehtun als das Gefühl, dass sie an mich gekettet ist. Aber wenn sie geht – wohin geht sie dann?»
Aha, das war es also! Durch sein sengendes, dumpfes Leid hindurch hatte er es erkannt, diese Frage war der Mittelpunkt seiner Qual. Geistesabwesend blickte Nona auf ihre schlanken jungen Hände nieder – wie hilflos und unerfahren waren sie! All diese verwickelten, unlösbar und schicksalhaft verwobenen, sich kreuzenden Fäden des Lebens – wie sollten die Hände eines Mädchens sie entwirren?
«Sie hat doch sicher mit dir gesprochen – hat dir von ihren Plänen erzählt?», fragte er.
Nona nickte.
«Also, was soll ich tun, kannst du mir das sagen?»
«Sie darf nicht gehen; wir dürfen sie nicht gehen lassen.»
«Aber wenn sie bleibt – bleibt und mich hasst?»
«Oh, Jim, nicht
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