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Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Titel: Dämmerung in Mac's Place (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Box bis zum Schluß aufhob, doch er fand nichts unter dem Hafer oder unter dem Stroh oder in dem halben Faß mit Wasser.
    Schließlich kniete er neben dem toten Pferd und sah sich die Eintrittswunde genau an. Eine Austrittswunde war nicht zu sehen, und Haynes nahm an, daß der Schuß entweder aus einem Revolver oder aus einer Selbstladepistole vom Kaliber 9 mm oder kleiner abgefeuert worden war.
    Der Schnee fiel noch dichter, als er zum Haus zurückging, durch die aufgebrochene Küchentür eintrat, den Dufflecoat wieder an der Garderobe in der Diele aufhängte und Erika McCorkle im Eßzimmer/Büro neben den beiden grauen Stahlaktenschränken vorfand.
    Sie zog eine obere Schublade heraus und sagte: »Leer. Alles leer.«
    Haynes öffnete und schloß ein paar Schubladen, sah sich in dem Zimmer um und zeigte auf den Computer neben der IBM-Typenradmaschine. »Wie befreundet sind Sie mit PCs?« fragte er.
    »Sehr«, sagte sie, setzte sich, schaltete das Gerät ein, musterte die Tastatur und gab einen Zugangsbefehl ein. Sofort verlangte der Computer ein Kennwort. Ohne Erfolg probierte Erika es mit »Steady«, dann mit mehreren anderen Begriffen, stets mit dem gleichen Ergebnis. Sie blickte zu Haynes auf und fragte: »Wie ist der Mädchenname von Steadys Mutter?«
    »Cobbett. Mit zwei b und zwei t.«
    Als sie es mit Cobbett versuchte, ließ der Computer die Zugbrücke runter, und Sekunden später erschienen Steadfast Haynes’ Memoiren auf dem Schirm, Zeile für Zeile.
    »Fangen Sie noch mal an«, sagte Haynes.
    »Langsamer?« fragte sie und tippte auf die Tasten.
    »Langsamer.«
    Erneut erschien die Titelseite, gefolgt von den vier Housman-Zeilen, der rätselhaften Widmung des Vaters an den Sohn und schließlich Seite vier und Kapitel eins, das aus den beiden Sätzen bestand, die, wie Haynes mittlerweile annahm, das falsche Manuskript darstellten:
    »Ich habe ein überaus interessantes Leben geführt und bedaure, wenn ich zurückblicke, nichts. Oder fast nichts.«
    Einen Moment blieb der Schirm leer, dann erschien ein Wort in Großbuchstaben und füllte den Rest der vierten Seite und die kompletten Seiten fünf, sechs und sieben mit »ENDIT ENDIT ENDIT ENDIT ENDIT ENDIT ENDIT …«
    »Schalten Sie aus«, sagte Haynes.
    Als der Schirm dunkel wurde, fragte Erika McCorkle: »Was ist ein Endit?«
    »Kabelstil. Als ich klein war, hat Steady seine Telegramme damit abgeschlossen: ›Ankomme Dienstag Air France 1732 Hol Mich Ab Endit Steady.‹ Genau zehn Worte.«
    Erika McCorkles Gesicht strahlte vor, wie Haynes vermutete, einer weiteren Enthüllung. »Deshalb ist das Haus so auffallend aufgeräumt. Die beiden Männer mit den Tüten über dem Kopf wußten genau, wo sie zu suchen hatten. Im Computer.«
    »Es sei denn, sie waren nicht hier, um etwas zu finden, sondern um etwas zu hinterlassen. Vielleicht ein totes Ende.«
    »Die Endits?«
    Haynes nickte, stand auf, ging zum Computer und bückte sich, um den Stecker rauszuziehen. »Wir bringen das Ding in Ihren Wagen.«
    »Stehlen Sie ihn oder leihen Sie ihn aus?«
    »Weder noch. Ich erbe ihn. Howard Mott sagt, Steady hat mir alle seine Andenken, Souvenirs und Erinnerungsstücke vermacht.«
    »Es gibt keine.«
    »Richtig, aber sollte es zur Streitfrage werden, könnte Mott behaupten, der PC eines Menschen sei genauso ein persönliches Andenken wie sein Tagebuch.«
    »Das ist Blödsinn, der sich als Sophisterei ausgibt.«
    Haynes nickte zustimmend. »So ist es.«
    Als sie, den Computer zwischen sich, die rutschigen, schneebedeckten Stufen der Veranda hinuntergingen, tauchte der Wagen leise hinter dem Vorhang aus fallendem Schnee auf. Das Auto, ein großer Ford mit Schneeketten auf den Hinterrädern, hielt an, und ein schlanker Mann von Anfang Fünfzig stieg aus. Der Mann fixierte Haynes mit blauen Augen, die aussahen, als blieben sie gut gekühlt, ob Winter oder Sommer, und ließ die rechte Hand wie zufällig zum Pistolenholster an seiner rechten Hüfte hinabgleiten, als er mit harter Baritonstimme sagte: »Ich hoffe nur, Sie sind es, Granville.«
    Es dauerte fünf Minuten, um Sheriff Jenkins Shipp unter dem Schutz der überdachten Veranda zu überzeugen, daß der Sohn und Erbe von Steadfast Haynes den Computer nur deshalb wegbrachte, weil er hoffte, daß er die letzten Gedanken seines verstorbenen Vaters enthielt.
    Endlich nickte der Sheriff halbwegs überzeugt mit seinem schmalen Kopf. Auf dem Kopf saß ein mißhandelter Stetson, der früher perlgrau gewesen sein mußte, jetzt aber

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