Daemmerung ueber der See
Menschen auf See oder bei der Armee in der Fremde wußten. Nach Wellesleys Siegen in Spanien und seiner Heimkehr, nach der ihn der König zum Herzog von Wellington machte, schien der wahre Feind, Frankreich, plötzlich sehr fern. Nur in der City von London, also bei den Banken und Versicherungen, schätzte man die Handelsschäden und Verluste an Schiffsraum richtig ein.
Bolitho war zweimal bei der Admiralität gewesen, wo er von vier Lordschaften empfangen wurde. Zwei waren Flaggoffiziere, die anderen beiden Zivilisten. Er war verwirrt über die eher lässige Art, wie die Admiralität geführt wurde. Hunderte von Instruktionen und Befehle wurden jede Woche an die Geschwader und einzelne Schiffe verschickt, viele würden schon überholt sein, wenn sie den Empfänger erreichten.
Als Catherine wieder zu Hause war, hatte ihn ihre strikte Weigerung überrascht, über den Besuch bei Zenoria zu erzählen. Er vermutete, daß sich die junge Frau noch immer von der überwältigenden Freundlichkeit der Familie erdrückt fühlte. Als sie die Einladung zur Taufe in Hampshire erhielten, merkte er, daß Catherines Laune noch schlechter wurde.
Er wußte, daß sie über die Ungewißheit seines nächsten Einsatzes beunruhigt war. Die Nachrichten über den sich verschlechternden Gesundheitszustand Collingwoods rückte zum ersten Mal das Mittelmeer in den Bereich des Möglichen. Aber noch immer verweigerte die Admiralität, manche sagten, der König, dessen Geistesschwäche fortschritt, Collingwood die Rückkehr nach England.
Er besprach die Taufe mit Catherine, dabei spürte er deutlich, daß etwas nicht stimmte.
Sie hatte sich zu seinen Füßen zusammengekauert, das Haar verdeckte ihr Gesicht, als sie sagte: »Val ist so aufgeregt. Er will alle seine Freunde einladen, alle, die zur Zeit im Lande sind«, er spürte das Zögern, als sie fortfuhr, »einschließlich Adam.«
»Das ist unwahrscheinlich, Kate. Die
Anemone
ist unterbemannt, er wird genug damit zu tun haben, abseits der Marinebasen Männer aufzutreiben. Ein Fregattenkapitän fühlt sich auf See am wohlsten, wenn ihm kein Admiral vor der Nase sitzt.«
Sie erwiderte leise: »Dann danke Gott dafür.« Sie hatte ihn angesehen. »Du weißt, ich liebe ihn wie einen Sohn, und ich fühle mich wie eine Verräterin bei dem, was ich dir jetzt erzähle. Aber ich muß es dir sagen. Wir haben uns geschworen, daß es zwischen uns keine Geheimnisse geben soll.«
Bolitho hatte ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen: Was sie in Adams Gesicht bei der Hochzeit in Zennor gelesen hatte; was sie von seinen Besuchen in Falmouth wußte und über den Zwischenfall in einer Posthalterei, in der Adam einen völlig Fremden beschuldigt hatte, Bolithos Familie beleidigt zu haben. Glücklicherweise hatte er es dabei bewenden lassen, eine Kerze auszuschießen. Zenoria hatte ihr erzählt, daß Adam sie sogar kürzlich besucht hatte und daß er den ganzen Weg von Portsmouth geritten war, wo
Anemone
mit Vorräten beladen wurde.
Bolitho hatte ihr Haar gestreichelt, um sie zu beruhigen, aber in seinem Kopf hatte sich alles gedreht. Was war los mit ihm, daß er während der langen Überfahrt von der Karibik nichts bemerkt hatte? Sah er nur das, was er sehen wollte? Sein Neffe war immer ein unruhiger Typ gewesen, vom ersten Tag an, da er als magerer Fähnrich auf sein Schiff gekommen war. Er hatte nie darüber nachgedacht, daß Adam nach seinem Bruder Hugh kommen könnte. Und doch … Hugh hatte ein aufbrausendes Temperament gehabt und konnte keine Beleidigung einfach runterschlucken. Kapitän James, ihr Vater, empfand es als schlechtes Erbteil, aber bestimmt steckte mehr dahinter.
»Zenoria braucht ein eigenes Haus, wo sie sie selbst sein kann. Sie ist jung, Richard, aber aufgrund ihrer Erlebnisse hat sie einen Lebenshunger, den Keens Familie nicht versteht«, hatte Catherine erklärt.
Der Tag der Taufe kam heran, und wie versprochen waren sie zu dem großen Landhaus gefahren, wo viele Freunde aus nah und fern dem kleinen Perran Augustus die Ehre erwiesen. In der winzigen Dorfkirche fanden nicht alle Platz, aber auf dem Gelände des Hauses gab es genug Essen und Trinken, um ein Regiment zu versorgen.
Bolitho hatte versprochen, sich nicht anmerken zu lassen, daß er Zenorias Geheimnis kannte. Sollte Valentine Keen jemals die Wahrheit erfahren, es wäre nicht auszudenken, wie die Angelegenheit enden würde.
Es gab mehrere kleine Zwischenfälle, alle auf ihre Art banal, aber sie waren froh, daß sie sich
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