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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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umfallen.
    Der Arzt wartete in der Messe, er knautschte seinen alten Hut mit beiden Händen. Es war ein heruntergekommener Mann, dessen Gesicht von Trunksucht gezeichnet war. Aber man sagte, daß er ein guter Arzt sei; man konnte nur hoffen, daß das stimmte.
    »Es hat keinen Zweck! Die Bestrafung findet statt.« Hilflos zuckte er mit den Schultern. »Aber er will mit Ihnen sprechen.«
    Der Schiffsarzt beharrte auf seinem Standpunkt, und seine Augen blickten ärgerlich. »Der Kapitän will, daß die Bootsmannsmaate die Peitsche mit den großen Knoten verwenden! Das übersteht kein Mann!«
    »Ich kann nichts machen.« Im geheimen stimmte er mit dem Mann überein, aber das offen zu zeigen, würde an Verrücktheit grenzen. Das Schiff hatte bisher mehr Glück gehabt als die meisten, und der Kommandant würde das auch wissen. Sie hatten weniger gepreßte Männer als üblich an Bord, dazu kamen etwa zwanzig neue Leute, die zwar keine Seeleute waren, aber dafür harte, furchtlose Bergarbeiter aus einer eingestürzten Zinnmine in Cornwall.
    Der Posten knallte die Hacken zusammen und rief: »Der Arzt, Sir!«
    Der Kabinensteward öffnete die Tür und schloß sie wieder.
    »Sie wollten mich sprechen?« Trevenen stand mit seinen breiten Schultern vor den Fenstern, das glitzernde Panorama der Reede mit den Schiffen im Rücken.
    »Aye, Sir, wegen des Ungedienten Jacobs. Ich kann nicht dafür garantieren, daß er die Bestrafung überlebt. Es ist seine zweite Auspeitschung innerhalb von zwei Wochen, Sir.«
    »Das weiß ich. Der Mann ist ein blöder Tölpel. Ich lasse keine Insubordination durchgehen, noch lasse ich die Autorität meiner Offiziere untergraben.« Der Steward kam über den schwarzweiß karierten Teppich gewatschelt und stellte ein großes Glas Wein in die Reichweite des Kapitäns.
    Der Arzt erwiderte: »Er ist ein blöder Tölpel, Sir, das kann ich nicht abstreiten …«
    Der Kommandant hob eine Hand. »Ich möchte Sie etwas fragen.« Er beobachtete, wie der Arzt gierig auf das große Glas schielte. »Sie waren früher Arzt auf der
Hyperion,
Sir Richard Bolithos Flaggschiff, nicht wahr?«
    Völlig überrascht durch diese Frage, starrte ihn George Minchin an.
    »Nun, jawohl, Sir. Ich war auf der
Hyperion
, als sie zu den Fischen ging.« Er schien etwas von seinem verzweifelten Überdruß zu verlieren, als er mit Stolz in der Stimme sagte: »Ich war einer der letzten, der von Bord der alten Lady ging.«
    »Es ist natürlich streng vertraulich, aber wir werden den Anker hieven, sobald unsere Passagiere an Bord sind. Ihr Sir Richard Bolitho wird bei uns seine Flagge setzen.«
    Er sah, wie sich die Gefühle im Gesicht des Arztes widerspiegelten. Wie konnte ein Mann nur so verkommen?
    »Was ist er für ein Mann?«
    Minchin blickte in die Ferne – weit über die Kabine und das Schiff hinaus. Er hörte das Donnern der Kanonen des alten Vierundsiebzigers, spürte ihren Rückschlag, sah den unendlichen Strom der Verwundeten und Sterbenden vor sich, der ins Orlopdeck flutete. Die »Flügel- und Haxenbottiche«, wie sie von den Matrosen genannt wurden, quollen über mit den grausigen Überbleibseln der Säge und des Messers: Arme, Beine, Teile von Männern, die Minchin gekannt hatte. Während der ganzen Zeit hatte das Deck von der wilden Schlacht gezittert, die um sie herum tobte.
    »Der beste Mann, den ich kenne, ein Gentleman im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe ihn weinen sehen, wenn so ein armer Hund im Sterben lag. Er war sich nicht zu schade, ihm während der letzten Minuten die Hand zu halten.« Mit plötzlichem Widerwillen blickte er den Kapitän an. »Anders als andere Herren.«
    »Sehr lobenswert. Aber die Auspeitschung wird bei vier Glasen durchgeführt, und Sie werden daran teilnehmen, Sir. Ich habe schon seit langem erkannt, daß Autorität und Strenge häufig Hand in Hand gehen müssen!«
    Er wartete, bis sich die Tür hinter Minchins schäbiger Gestalt geschlossen hatte. Der Mann war ein Narr. Er würde sich bemühen, ihn so bald wie möglich ablösen zu lassen, obwohl es schwer war, einen erfahrenen Schiffsarzt für diesen Schlachterjob zu finden.
    Er probierte einen Schluck Wein. Am schwersten würde es sein, die alte Abneigung zu verbergen, die aus der Feindschaft seines Vaters mit Kapitän James Bolitho resultierte. Trevenen stammte aus Truro, und es widerstrebte ihm, daß man von Bolitho als dem berühmtesten Sohn Cornwalls sprach. Er runzelte die Stirn, sein Mund war ein schmaler Strich.
    Das werden wir

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