Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Taktik oft angewendet, weil unser Schiff in Frankreich gebaut war, und wir deshalb normalerweise keinen Verdacht erregten.« Bitter fügte er hinzu: »Was hätten wir mit unseren kleinen Erbsenschleudern auch sonst tun sollen?« Ihm wurde wieder klar, wo er sich befand, und fuhr ruhig fort: »Ich war Erster Offizier, Kommandant war ein anderer Leutnant. Ich mochte ihn, aber …«
    »Aber …?«
    Avery blickte ihn direkt an, und Bolitho sah, daß er die klaren bernsteinfarbenen Augen einer Wildkatze hatte.
    »Ich glaube, daß er zu leichtsinnig war.«
    Ohne es zu bemerken, streichelte Bolitho sein Auge.
Jolie?
    Vielleicht hätte er doch erst Sillitoes Brief lesen sollen.
    Avery war verstummt, er erwartete offensichtlich eine Zwischenfrage, vielleicht sogar eine Zurechtweisung, weil er seinen Kommandanten kritisiert hatte, doch dann fuhr er fort: »Wir jagten zwei Schüsse über den Holländer, er drehte in den Wind, wohl deshalb, weil der Skipper annahm, daß wir nicht allein operierten.« Sein Gesichtsausdruck wurde starr. »Er hatte recht, nur war das andere Schiff eine französische Korvette. Sie kam unter vollen Segeln um ein Kap. Wir hatten keine Chance. Wir segelten hoch am Wind vor einer Leeküste, aber alles, was mein Kommandant sagte, war: ›Zwei für den Preis von einem!‹ Das waren seine letzten Worte auf dieser Welt. Eine Kugel zerfetzte ihn, als er dem Feind trotzig mit der Faust drohte.« Er schwieg einen Augenblick. »Die Korvette beharkte uns längsschiffs. Die Männer fielen zuhauf, ich höre noch heute ihre Schreie, ihre Bitten um Gnade. Dann wurde ich getroffen. Als ich auf dem Deck lag, sah ich, daß unsere Männer die Flagge strichen. Hätten sie weitergekämpft, wären sie alle getötet worden.«
    »Wären Sie nicht verwundet worden, hätten Sie ihnen befohlen weiterzukämpfen?« Wieder dieser Schmerz in den Augen. Wahrscheinlich hatte sich Avery diese Frage schon selber wieder und wieder gestellt.
    »Kurz nachdem ich gefangengenommen wurde, kam der Friede von Amiens zustande. Da ich verwundet war, waren die Franzosen wohl froh, mich los zu sein.« Wieder schwieg er.
    »Dann wurde ich vor ein Kriegsgericht gestellt.«
    Bolitho sah alles vor sich, als ob er dabeigewesen wäre. Der Friede von Amiens hatte den beiden Parteien die Möglichkeit gegeben, ihre Wunden zu lecken und ihre Arsenale wieder zu füllen. Niemand hatte geglaubt, daß er lange halten würde.
    Also mußte man ein Exempel statuieren, damit in der Marine niemand auf falsche Gedanken kam.
    Avery fuhr fort: »Man hat mich weder wegen Feigheit vor dem Feind noch wegen des Verlustes des Schiffes schuldig gesprochen. Aber auf der
Jolie
war die Flagge gestrichen worden – zusammengeschossen oder nicht, deshalb wurde ich zurückgestuft.« Er begann sich zu erheben. »Ich wußte, daß es hoffnungslos ist, es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit beansprucht habe.«
    Nicht schuldig, aber dazu verdammt, bis zum Heldentod oder der Entlassung Leutnant zu bleiben.
    Bolitho erkundigte sich ruhig: »Haben Sie Familie?«
    Avery schien ihn einen Moment lang nicht zu verstehen, dann antwortete er: »Niemanden, nur meinen Onkel, den ich kaum kenne.«
    Bolitho sah Catherines Schatten vor der offenen Tür.
    »Falmouth ist nicht London, aber wir haben hier einen guten Schneider, Joshua Miller, dessen Firma meiner Familie schon über mehrere Generationen gute Dienste erwiesen hat. Sorgen Sie dafür, daß er Ihnen eine Uniform anmißt, die einem Flaggleutnant würdig ist.« Er konnte Averys Gesichtsausdruck nur schwer deuten: Erstaunen, Dankbarkeit, Ungläubigkeit, von jedem etwas. Er fügte hinzu: »Mein eigener Neffe hatte auch mal diese schwierige Stellung inne, es wird für Sie nicht einfach werden. Setzen Sie sich mit meinem Sekretär, Mr. Yovell, in Verbindung, er wird Ihnen erklären, was ich von Ihnen erwarte. Wo ist Ihr Gepäck?«
    Offensichtlich versuchte Avery Ordnung in seine Gedanken bringen. »Im Hof des Gasthauses, Sir Richard. Ich hätte mir dort ein Zimmer gemietet, wenn ich geahnt hätte …«
    »Lassen Sie es ins Haus bringen. Es wird Ihnen leichterfallen, Fuß zu fassen, wenn Sie hier wohnen und meine kleine Crew kennenlernen.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sir Richard! Ich kann Ihnen nur versprechen …«
    »Versprechen Sie mir nichts, das ist auf lange Sicht gesehen klüger.« Er zögerte. »Falls es Ihnen hilft, auch ich habe einmal meinen Degen niedergelegt, um jemanden zu retten, der mir sehr nahe steht.« Er sah Allday

Weitere Kostenlose Bücher