Daemmerung ueber der See
das Zimmer und sah zu, wie sich die Menge verlief. Der Lärm verebbte. Sophie erwartete sie, ihre Augen schienen das ganze Gesicht auszufüllen.
»Ich bin ja so stolz, Mylady, all die vielen Leute!«
Sie nickte und preßte ihre Hand unter ihre Brust. Sie konnte kaum atmen, nicht glauben, daß er fort war.
»Das war bei dem armen Nelson auch so«, sagte sie abrupt, »Matthew soll unser Gepäck aufladen.«
»Schon geschehen, Mylady.« Sophie war verwirrt. Lady Catherine hätte aufgeregt sein oder in Tränen ausbrechen sollen. Sie verstand nicht, warum die große schöne Frau mit den schwarzen Haaren und den hohen Wangenknochen ihre Gefühle nicht teilen wollte, noch nicht einmal mit ihr.
»Gehe hinunter, Sophie. Ich habe hier noch etwas zu erledigen.«
Sie stand alleine im Zimmer und blickte auf das Fenster, von der eine andere Frau ihn hatte fortgehen sehen.
»Meine Liebe wird dich immer beschützen.« Sie hatte laut gesprochen, und es war ihr nicht bewußt, daß dieser Satz auch auf dem Medaillon eingraviert war.
Langsam ging sie die Treppe hinunter, mit einer Hand hielt sie ihren Rock, die Augen blickten geradeaus.
Der Wirt verbeugte sich. »Gott sei mit Ihnen, M'lady.«
Sie lächelte, dann gefror das Lächeln, als eine Kutsche hinter der mit dem Wappen der Bolithos hielt.
»Was ist, Mylady?« Matthew nahm ihren Arm, sein rundes Apfelgesicht war voller Besorgnis.
Sie starrte den Mann an, der aus der Kutsche kletterte. Dieselbe Uniform mit den Epauletten. Er streckte eine Hand aus, um seiner Lady zu helfen. Die Bediensteten des Wirtshauses eilten herbei, um sich um das Gepäck zu kümmern.
»Es ist nichts, Matthew.« Sie schüttelte den Kopf, um das Bild zu verdrängen. »Bring mich nach Hause.«
Matthew kletterte auf den Bock neben seinen Begleiter und trat die Bremse los. Schließlich drehte sie sich nochmals um und erlaubte sich, zu dem Fenster hochzuschauen. Es gab keine Gespenster, oder doch? Stand dort jemand und sah ihr bei der Abfahrt zu? Immer noch auf das Schiff wartend, das zu spät gekommen war?
Sophie hielt ihre Hand wie ein Kind. »Geht es Ihnen jetzt besser, Mylady?«
»Ja.« Plötzlich war sie froh darüber, daß das Mädchen sie während der langen Fahrt nach Falmouth begleiten würde. Sie versuchte, sie zu beruhigen: »Wenn Allday hier wäre, würde ich ihn wahrscheinlich nach einem Schnaps fragen.« Aber die Bemerkung machte sie nur traurig.
Verlaß mich nicht…
Leutnant George Avery blieb stehen, als Bolitho an den Rand eines der vielen Werftbecken ging. Schiffe wurden hier repariert, wieder aufgeriggt, und einige waren noch in Bau. Plymouth war immer ein geschäftiger Ort, die Luft war erfüllt vom Klopfen der Hämmer und dem Kreischen der Sägen. Pferdegespanne zogen Meilen von Tauwerk zu einem Schiff, das aufgeriggt werden sollte. Dort warteten Männer, die aus dem endlosen Durcheinander von Leinen ein sinnvolles Geflecht aus Wanten und Stagen herstellen würden. Für den einen ein Kunstwerk, für den anderen, der es bei jedem Wind und Wetter in Ordnung halten mußte, eine Tretmühle.
Aber Bolitho war an ein ganz bestimmtes Hafenbecken herangetreten. Hier hatte seine
Hyperion
nach der schrecklichen Schlacht gelegen, und er war ihr junger Kommandant gewesen. Ein stolzes Schiff, dem selbst der Geruch des Todes, die zerfetzte Beplankung und der zusammengeschossene Rumpf nichts anhaben konnte. Es war in eine Lagerhulk verwandelt worden, genau wie das Schiff, das jetzt an diesem Becken lag. Er hatte Nelsons Worte im Ohr, als die
Hyperion
wegen der Verluste und der Knappheit an Schiffen wieder ihren Platz in der Schlachtflotte einnehmen sollte, der ihr zustand. Als Bolitho sich ein neues Flaggschiff aussuchen sollte, war man auf der Admiralität erstaunt gewesen, daß er diesen alten Eimer wählte. Nelson hatte die Zweifler zum Verstummen gebracht: »Gebt ihm das Schiff, das er haben will!«
Hyperion
mochte alt gewesen sein, aber die Wahl des kleinen Admirals für sein letztes Flaggschiff war auf die
Victory
gefallen, die dann im stolzen Alter von vierzig Jahren die feindliche Linie vor Trafalgar durchbrochen hatte; doch Nelson hatte für seinen Mut bezahlen müssen.
Aus dieser Werft war Bolitho damals in ein leeres Haus zurückgekehrt. Er konnte an nichts mehr glauben und hatte niemanden mehr, der sich um ihn sorgte. Jetzt war alles anders: Er hatte seine schöne Catherine und eine Liebe, die er niemals für möglich gehalten hatte.
Avery beobachtete ihn neugierig:
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