Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Heckfenstern prangte, war sie offensichtlich länger als ein Schiff der fünften Klasse. Wäre da nicht nur das eine Geschützdeck gewesen, hätte man sie für ein Linienschiff halten können.
    Männer bewegten sich ruhig über das Deck, in der Takelage und auf den Rahen. Eine letzte gründliche Überprüfung vor dem Auslaufen – wer wußte, für wie lange Zeit? Das Schiff war neu, gebaut nach den neuesten Erkenntnissen auf der berühmten Werft von Bucklers Hard und erst seit zwei Monaten im aktiven Dienst. Die Beanspruchung der Offiziere und Matrosen war erheblich gewesen.
    Zusätzliche Offiziere und erfahrene Männer waren mit Hilfe des Hafenadmirals, der besser als jeder andere von der Bedeutung der
Valkyrie
wußte, von anderen Schiffen in Plymouth abgezogen worden. Richtig geführt, konnte sie jedes andere Kriegsschiff – außer Linienschiffen – niederkämpfen, außerdem konnte sie als Geschwaderführungsschiff eingesetzt werden.
    Kapitän Aaron Trevenen bedachte achtern in der großen Kabine diese Möglichkeit gerade intensiv, als er in die angrenzenden Unterkünfte blickte, die schon für Vizeadmiral Sir Richard Bolitho vorbereitet wurden. Sie waren geräumig, denn die
Valkyrie
konnte mit einer stolzen Breite von über zwölf Metern aufwarten, außerdem hatte sie eine Stehhöhe, bei der man sich bequem bewegen konnte. Trevenen hatte fast sein ganzes Leben mit Fregatten oder vergleichbaren Schiffen auf See verbracht, diese würde wohl seine letzte sein. Es war ein gutes Schiff, aber Trevenen hatte alle Aussichten, nach erfolgreicher Durchführung dieses Auftrags zum Admiral befördert zu werden. Es gab zwar kein verbindliches Versprechen, aber Trevenen war lange genug in der Marine, um zwischen den Zeilen seines Befehls lesen zu können.
    Er war eher untersetzt als dick, hatte ein kräftiges Kinn und tiefe Falten im Gesicht, ein Tribut an die Jahre ständiger Wachsamkeit. Sein Haar war rotbraun und kurzgeschnitten, aber nicht kurz genug, um die ersten Anzeichen von Grau zu verbergen. Obwohl erst vierzig, sah er viel älter aus. Er hatte sich jetzt mit hinter dem Rücken verschränkten Armen aufgebaut, als ob er so durch die volle Länge seines Schiffe blicken könne. Die
Valkyrie
war für jeden Kommandanten ein Geschenk, nutzte er sie richtig. Trotz ihrer Verdrängung von 180 Tonnen war sie schnell wie ein Vierspänner. Der Segelmeister war überrascht gewesen, als sie trotz der Größe des Schiffs und den zweiundvierzig Kanonen und Karronaden über achtzehn Knoten geloggt hatten.
    Trevenen schloß die Tür, als wollte er den Vizeadmiral aus seinen Gedanken verbannen. Er durfte sich keine persönlichen Gefühle leisten, weil das zu gefährlich war. Er hörte, wie der Seesoldat vor der Tür mit seiner Muskete auf das Deck stieß, und bereitete sich auf einen Besucher vor.
    Es war Leutnant Urquhart, sein Erster, ein fähiger, ruhiger Mann, der bereits auf einer anderen Fregatte Erster Offizier gewesen war. Trevenen wußte, daß Urquhart nur deshalb noch nicht zum Kapitän befördert worden war, weil er keinen Fürsprecher hatte.
Der würde es nie schaffen.
Er gestattete sich fast ein Lächeln. Fast.
    Er hörte das Klopfen an der Tür. »Herein!«
    Urquhart blickte sich in der Kabine um, während er sie durchquerte. Seinen Hut hatte er unter den Arm geklemmt. Es schien, als suche er nach etwas Persönlichem, etwas, was ihm Zugang zu dem Mann verschaffte, in dessen Hand das Leben von zweihundertzwanzig Männern lag.
    Trevenen bemerkte es. »Sie sind früh dran, Mr. Urquhart, stimmt etwas nicht?«
    »Der Schiffsarzt möchte Sie sprechen, Sir.« Er errötete, als Trevenens Augen ihn musterten. Sie waren schwarz, lagen tief in den Höhlen und beherrschten sein markantes Gesicht. Unbehaglich fügte Urquhart hinzu: »Es geht um die Auspeitschung.«
    »Ich verstehe. Richten Sie ihm aus, daß ich darüber nicht zu diskutieren wünsche. Ich möchte, daß es vorüber ist, bevor der Admiral an Bord kommt.« Er wandte sich den großen Heckfenstern zu, als eine Yawl, die sich nach einer Wende weit überlegte, gefährlich dicht unter dem Heck der Fregatte durchlief, dann schnippte er mit den Fingern. »Nein, Kommando zurück! Schicken Sie ihn zu mir, Mr. Urquhart.«
    Urquhart schloß die Tür und stellte fest, daß seine Hände zitterten. Auf seinem letzten Schiff hatte ihn der Kommandant stets mit dem Vornamen angeredet, wenn sie unter sich waren. Sollte Trevenen das jemals tun, würde er vor Schreck auf der Stelle tot

Weitere Kostenlose Bücher