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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Küstenlinie bringen sollte, schleppen zu lassen.
    Bolitho wußte aus schmerzlicher Erfahrung, daß die Gezeiten und Strömungen ebenso wie die unberechenbaren Windverhältnisse vor dieser Küste schon die erfahrensten Seeleute aus der Fassung gebracht hatten. Es war Trevenens Temperament nicht zuträglich, daß die
Laertes,
die nur zwei Meilen an Steuerbord achteraus stand, plötzlich Wind einfing und mit geblähten Segeln sein Schiff zu überholen begann.
    Monteith, der Fünfte Leutnant, kletterte im Vorschiff unter die lustlos klatschenden Vorsegel und brüllte zu den ziehenden Booten hinüber: »Benutzen Sie die Starter, Mr. Gulliver. Die Burschen sollen sich ordentlich ins Zeug legen!« Als ob er den Ärger um sich herum spüren würde, fügte er hinzu: »Befehl des Kapitäns!«
    Bolitho hörte ihn in der Achterkabine und sah Allday aufblicken, der den alten Säbel einer rituellen Reinigung unterzog. Auf dem Deck war es wie in einem Ofen, draußen in den offenen Booten würde es noch schlimmer sein. Kein Boot konnte mehr als die Steuerfähigkeit des Schiffes erhalten, besonders wenn es so groß war wie die
Valkyrie.
Er blickte achteraus auf die lange Dünung und den blassen Himmel, aus dem jede Farbe ausgebrannt schien.
    »Schicken Sie nach meinem Flaggleutnant!« Er hörte, daß Ozzard die Kabine verließ. Es war eine schwierige Überfahrt gewesen, denn die
Valkyrie
war kein eigentliches Flaggschiff und er war mehr als ein Passagier.
    In einer stickigen Nacht war er in seiner Koje hochgeschreckt, weil der Alptraum zurückgekehrt war. Das HundertMeilen-Riff, die
Golden Plover
wälzte sich entmastet auf den scharfkantigen Felsen, die kochende See umspülte das Wrack, der Schaum wurde plötzlich blutrot, als die Haie die ertrinkenden Seeleute zerfetzten, die zu verstört und zu betrunken gewesen waren, um zu erkennen, was vorging. In diesem Alptraum hatte er versucht, Catherine festzuhalten, aber ein anderer packte sie und lachte, als die See über ihm zusammenschlug.
    In dieser Nacht hatte er einen ersten persönlichen Eindruck von George Avery, seinem neuen Flaggleutnant, bekommen. Er war aufgewacht und hatte ihn neben sich in der dunklen Kabine sitzen sehen, während das Rudergeschirr dumpf wie eine Begräbnistrommel dröhnte.
    »Ich habe Sie schreien hören, Sir Richard. Ich habe Ihnen etwas zu trinken gebracht.«
    Es war Brandy gewesen; er hatte ihn in zwei Schlucken gekippt, beschämt, daß Avery ihn in dieser Verfassung sah. Er zitterte so stark, daß er einen schrecklichen Augenblick lang befürchtet hatte, daß das Fieber wieder ausgebrochen war, das ihn in der Südsee beinahe umgebracht hatte.
    Avery hatte gemeint: »Ich dachte, besser ich, als irgend jemand anderer.« Offensichtlich hatte er Trevenen genau beobachtet, was seine zur Schau getragene Zurückgezogenheit Lügen strafte. Nach einiger Zeit hatte ihm Avery erzählt, daß auch er nach dem Verlust seines Schoners unter Alpträumen gelitten hatte. Als schwerverwundeter Kriegsgefangener war er seinen Wärtern eine Last gewesen. Man hatte ihn in einem kleinen Dorf untergebracht, wo er vom örtlichen Doktor versorgt wurde, der ihm jedoch kaum helfen konnte. Es war nicht so gewesen, daß die Franzosen brutal oder voller Haß gegen den Feind gewesen wären, sie hatten einfach geglaubt, daß er sterben würde. Nach der Herrschaft des Terrors hatte der Tod viel von seinem Schrecken für sie verloren. Als er schließlich begann, sich zu erholen, hatten die Bewohner Mitleid mit ihm gehabt, und als er nach dem Frieden von Amiens entlassen wurde, hatten sie ihn mit warmer Kleidung und frischem Brot und Käse für die Heimreise versorgt.
    Nachdem sich Bolitho beruhigt hatte und noch etwas Brandy mit seinem Leutnant getrunken hatte, erzählte ihm dieser von seiner Verzweiflung nach der Kriegsgerichtsverhandlung. Sogar an Bord der alten
Canopus
hatten ihn einige seiner Offizierskameraden geschnitten, so als ob sie sich bei engerem Kontakt anstecken oder sich ihre Chancen auf Beförderung zerstören würden.
    Bolitho hatte von vielen Leutnants gehört, die in mehreren Feldzügen gedient und sich ausgezeichnet hatten, aber niemals befördert worden waren. Avery würde dazu gehören. Der kleine bewaffnete Schoner
Jolie
würde immer das Schiff bleiben, auf dem er einem eigenen Kommando am nächsten gekommen war.
    Über Sillitoe hatte er gesagt: »Meine Mutter war seine Schwester. Ich glaube, er fühlte sich verpflichtet, in ihrem Angedenken etwas für mich zu tun.

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