Daemmerung ueber der See
Proviant auffrischen und mir natürlich das Schiff ansehen, das meine Aufmerksamkeit erregt hat.«
Beer grinste, seine Augen verschwanden fast in Lachfältchen. »Eine sehr ehrenwerte Antwort.«
Adam nahm einen Schluck Wein. Ein Rundblick sagte ihm vieles. Die Einrichtung war teuer, am Schott neben Beers Ehrendegen hing ein Porträt einer Frau mit zwei Mädchen.
»Kommandieren Sie das Schiff schon lange, Sir?«
Beer beobachtete ihn scharf. »Seit dem Stapellauf in Boston. Es war sehr aufregend, das Schiff entstehen zu sehen, selbst für einen alten Seemann wie mich. Ich stamme aus Newburyport, das nicht weit entfernt liegt …« Er brach ab. »Kennen Sie den Ort?«
»Ich war dort.«
Beer drang nicht weiter in ihn. »Ich bin sehr stolz darauf, Kommandant der
Unity
zu sein. Kein Schiff kann sich mit ihr anlegen, jedenfalls keine Fregatte. Den anderen kann ich die Hacken zeigen, wenn es sein muß.«
Adam hörte lautes Gelächter an Deck, es schien zufriedene Stimmung zu herrschen. Unter diesem bemerkenswerten Kommandanten konnte er sich das gut vorstellen.
Beer fuhr fort: »Unsere Marine steckt noch in den Kinderschuhen. Wir möchten unsere Offiziere überzeugen und begeistern. Ich hatte das Privileg, kürzlich Frankreich besuchen zu dürfen – wie sich alles verändert hat. Frankreich ist, genau wie mein Land, aus einer Revolution auferstanden, aber dort ist die Tyrannei geblieben. Vielleicht bringen Ihre Erfolge in Spanien den revolutionären Geist zurück.«
»Sie werden geschlagen werden wie auf See und verprügelt werden wie jetzt in Spanien.«
Beer betrachtete ihn ernst. »Harte Worte für einen so jungen Mann, meinen Sie nicht?« Er nahm das wieder gefüllte Glas und blickte Adam nicht an, als er fortfuhr: »Sie werden Depeschen für Sir Richard Bolitho an Bord haben. Man weiß hier alles, die Schiffe sind nur zu froh, Informationen nach den langen Wochen auf See auszutauschen. Sind Sie vielleicht zufällig sein Sohn? Der Name ist mir, mit einer Ausnahme, sonst nicht bekannt.«
»Ich bin sein Neffe, Sir.«
»Ach so. Der Mann, den ich kannte, war ein Überläufer, der mit uns die Unabhängigkeit erkämpfte.«
»Kommandierte er die Fregatte
Andiron
?«
»Er war Ihr Vater? Ich wußte es. Dieselben Augen, dieselbe Art. Ich kannte ihn nicht sehr gut, aber gut genug, um über seinen Tod bestürzt gewesen zu sein.«
»Dann haben Sie mir etwas voraus.« Eine warnende Stimme riet ihm, nichts mehr zu sagen. Vielleicht wurde das Geheimnis schon zu lange bewahrt, aber wie sein Vater wirklich gestorben war, würde er niemals verraten.
Beer sagte: »Er war, glaube ich, kein glücklicher Mann. Es ist das Schicksal von Überläufern, daß ihnen niemals jemand völlig vertraut.« Er lächelte gequält. »Nehmen Sie beispielsweise John Paul Jones.« Aber Heiterkeit wollte nicht aufkommen.
Adam erkundigte sich: »Was ist mit Ihnen, Sir, überbringen auch Sie Depeschen?«
Beer antwortete gleichmütig: »Wir breiten unsere Flügel aus. Die britische Navy beherrscht die Hohe See, aber eine solche Machtentfaltung hat einen hohen Preis. Die Franzosen könnten noch eine Trumpfkarte im Ärmel haben. Napoleon hat zu viel zu verlieren, um sich zu beugen.«
»So wie wir.«
Beer wechselte das Thema. »Es gibt da Geschichten, daß Ihre Schiffe unsere Fracht er anhalten und nach Konterbande durchsuchen. Meiner Meinung nach wollen sie aber nur Seeleute pressen. Unser Präsident hat bereits zweimal seinen Unmut darüber zum Ausdruck gebracht und hat eine Art Versprechen von Seiner Majestät Regierung bekommen. Ich hoffe, daß das stimmt.«
Adam lächelte zum ersten Mal. »Würden Sie sonst an der Seite Frankreichs in den Krieg eintreten?«
Beer starrte ihn an, dann grinste er breit. »Sie sind genau wie ich, als ich so alt war wie Sie.«
»Wir sprechen dieselbe Sprache. Das dürfte die einzige Ähnlichkeit sein.«
Beer zog seine Uhr hervor. »Ich segle mit der Tide, Kapitän Bolitho. Ich hoffe, daß wir bei unserem nächsten Treffen zusammen essen können.«
Beide griffen nach ihren Hüten und gingen hinauf in die schummerige Kühle des Oberdecks. Adam dachte an die überfüllte Reede und die schwierigen Kurse, die Beer würde steuern müssen. Nur ein hervorragender Kapitän mit einer ausgezeichneten Mannschaft konnte das schaffen.
»Grüßen Sie Ihren Onkel, Kapitän. Ein Mann, den ich gerne kennenlernen würde.«
Das Licht der Seitenlaternen spielte über
Anemones
Gig, die auf dem phosphoreszierenden Wasser tanzte.
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