Daemmerung ueber der See
seine Augen und studierte die Ansammlung der Schiffe. Es waren große und kleine, ein Teil davon sicher vermurt, vermutlich Prisen, die Kommandanten wie Tyacke hier abgeliefert hatten. Ein altertümlicher Vier- undsechziger war in Ufernähe verankert, Hauptquartier und Wohnung für den Mann, der die Patrouillen kommandierte und einen privaten Kampf gegen das Fieber und den plötzlichen Tod kämpfte. Trotz der neuen Gesetze waren die Sklavenjäger noch immer aktiv. Das Risiko war zwar größer geworden, damit aber auch die Gewinnspannen für die Erfolgreichen. Viele der Sklavenschiffe waren genauso schwer bewaffnet wie die Briggs und Schoner, die sie jagen sollten. Die meisten Marineoffiziere hielten das alles für Zeitverschwendung, ausgenommen natürlich diejenigen, die auf ihren langen Patrouillenfahrten hohe Prisengelder verdienten. Man sollte alles zurückstellen, bis der Krieg gewonnen war, dann konnte man genauso gottesfürchtig sein wie jene, die jetzt nicht zu kämpfen hatten. Der Mangel an Kriegsschiffen überwog bei vielen die sogenannte Humanitätsduselei.
»Leebrassen los!«
»Anluven!«
Die
Valkyrie
drehte herum, der große Anker schickte eine Spritzwasserwolke über das Vorschiff, schließlich kam sie langsam am Ankerkabel zur Ruhe. Trevenen blickte zu den Rahen empor, wo die Matrosen die Segel auftuchten und festlaschten.
Bolitho befahl: »Lassen Sie die Gig klarmachen, Kapitän Trevenen, ich möchte dem Hafenkapitän einen Besuch abstatten.« Er blickte sich auf dem Achterdeck um. »Ihr Schiff muß beim Einlaufen ein hervorragendes Bild abgegeben haben.« Es erfolgte keine Antwort. Bolitho ging zum Niedergang, weil es offensichtlich war, daß auch keine mehr kommen würde.
Leutnant Avery sagte: »Mr. Guest, Sie können unter Deck gehen, ich werde Sie bald wieder benötigen.« Er sah, wie das Gesicht des Fähnrichs versteinerte, als der Kommandant fauchte: »Ich gebe hier die Befehle,
Mister
Avery, und ersuche Sie dringend, sich nicht einzumischen! Seien Sie mit Ihrem Gefälligkeitsposten zufrieden!«
»Ich weise das zurück, Sir!«
Trevenen lächelte kalt. »Tun Sie das?«
Avery blieb ungerührt: »Es wäre das einzige, was wir gemeinsam hätten,
Sir
!«
Der Fähnrich schluckte. »Was soll ich machen, Sir?«
Trevenen drehte sich weg. »Gehorchen Sie ihm, und verdammt sei Ihre Impertinenz!«
Avery stellte fest, daß er seine Fäuste so fest geballt hatte, daß sie schmerzten.
Du verdammter Narr! Du hast dir geschworen, deine Gefühle nie mehr zu zeigen, damit dich niemand wieder verletzen kann …
Er sah, daß Allday ihn mit dem Anflug eines Lächelns beobachtete. Der große Mann meinte ruhig: »Genau in die Wasserlinie, Sir. Gut gemacht.«
Avery starrte ihn an. So hatte noch nie jemand mit ihm gesprochen. Er stellte fest, daß er lächelte. Der plötzliche Anflug von Verzweiflung war verflogen. Der Vizeadmiral und sein Bootssteurer. Bemerkenswert.
Bolithos Stimme klang durch das offene Skylight: »Mr.
Avery! Wenn Sie da oben endlich fertig sind, würde mir Ihre Hilfe sehr zupaß kommen!«
Allday gluckste, als Avery forteilte. Er mußte noch eine Menge lernen, genau wie ehemals der junge Jenour. Denn wie das alte Familienschwert hatte auch Sir Richard zwei Seiten.
Kapitän Edgar Sampson, der kommandierende Offizier in Freetown, sah zu, wie es sich Bolitho und Avery in den beiden Ledersesseln bequem machten, die schon bessere Tage gesehen hatten. Sein Kommando mit dem ehemals stolzen Namen
Marathon
war ein Schiff der vierten Klasse, das jetzt als Hauptquartier und Versorger für die Antisklavereiflottille diente. Man konnte sie sich auch nicht mehr in der Schlachtlinie oder im aktiven Dienst vorstellen. Blumentöpfe standen auf der altmodischen Heckgalerie, und in den Geschützpforten waren nicht einmal mehr Attrappen, um ihre Leere zu vertuschen. Das Schiff würde nie wieder bewegt werden, und wenn seine Aufgabe hier beendet war, würde es in Freetown als schwimmendes Lagerhaus enden oder, falls es auch dazu nicht mehr taugte, abgebrochen werden.
Sampson sprach schnell und aufgeregt, während er seinen schwarzen Diener heranwinkte, der Gläser und Wein bringen sollte. Der Diener antwortete nicht, blickte aber den Kapitän an, als sei er Gottvater persönlich. »Ich wußte, daß Sie kommen würden, Sir Richard, konnte es aber nicht einmal glauben, als ich die Fregatte mit der Vizeadmiralsflagge im Vortopp sah. Sonst hätte ich für diese außergewöhnliche Gelegenheit eine Ehrenwache
Weitere Kostenlose Bücher