Daemmerung ueber der See
mit der kurzen Klinge. Richie blickte es trübe an. »Wir haben nur einen Mann gerettet. Er war über Bord gegangen, als das Schiff auflief. Ich sprang ins Wasser, obwohl mich der Skipper zurückhalten wollte. Er hatte Angst, daß unser Schiff dem Schoner auf den Strand folgen würde.«
Adam fragte sich, wie viele Männer der
Anemone
wohl schwimmen konnten. Sehr wenige vermutlich. Er blickte auf das Entermesser. Der Mann mochte lügen. Andere Männer der
Eaglet
würden die Geschichte bestätigen können – oder auch nicht. Aber das würde lange dauern. Vielleicht würden sie die Wahrheit niemals erfahren.
Richie fuhr fort: »Der Mann lebte noch etwa eine Stunde. So erfuhren wir, daß es ein Schiff des Königs war. Er war ein Matrose, genau wie ich auch.« Er klang müde, so als ob er das Todesurteil schon gehört hätte.
»Woher kommen die Narben auf Ihrem Rücken? Ein gestreiftes Hemd an der Gräting?«
»Jawohl, Sir.«
Adam stand auf und ging wieder zum Schrank. Er spürte, wie ihn die Augen des Mannes verfolgten.
»Sie kennen die Insel Lorraine, Richie.« Er sah, wie der Mann den Cognac beobachtete, der schräg im Glas hochstieg, als sich das Schiff wieder auf die Seite legte. »Sie sind viele Male dort gewesen?«
»Einmal, Sir. Nur einmal.«
Adam blickte in Martins besorgtes Gesicht. »Einmal.« Er hielt ihm das Glas hin. »Trinken Sie das, Mann.« Richie verschluckte sich fast, hörte aber nicht auf, bis das Glas leer war.
»Wir spielen hier nicht Karten, Richie. Mein Schiff und Ihr Leben sind ein zu hoher Einsatz. Sie sind aus der Navy desertiert?« Der Mann nickte verzweifelt. »Unterstützung des Feindes, im Besitz eines Entermessers, das vielleicht zufällig in Ihre Hand gekommen ist – vielleicht auch nicht.« Er goß Cognac nach. »Nur nicht hängen, nicht wahr?« Er zwang sich fortzufahren: »Haben Sie schon mal gesehen, was es heißt, durch die Flotte gepeitscht zu werden? Der Strick ist eine Wohltat dagegen.« Er sagte es so scharf, daß sogar Martin zusammenzuckte. »Auf welchem Schiff haben Sie gedient? Ich will die Wahrheit hören.«
Richies rotgeränderte Augen blickten nach unten. »Das letzte war die
Linnet,
eine Kriegsslup. Ich war Großtoppmann. Ich bin abgehauen, ich konnte es nicht mehr ertragen.«
Adam beobachtete ihn. Die Narben des Mannes sprachen für sich. Vielleicht hatte er es verdient. Er hielt den Atem an, als der Mann sein Kinn verschob und ihm gerade in die Augen blickte. Es war, als ob er einen anderen Menschen vor sich hatte.
»Davor war ich auf der alten
Superb
, Sir, Kapitän Keats. Das war ein Kerl.«
Adam sah Martin an. »Ja, ich weiß.«
Füße waren an Deck zu hören, und es lachte jemand. Adam blickte sich in der Kabine um, die man bald ausräumen würde. Klar zum Gefecht, und einen Kampf würde es auch geben. Er kannte das Gefühl: Es war wie Übelkeit. Trotzdem hatte jemand gelacht. Es war Weihnachten.
»Vertrauen Sie mir, Richie, so wie Sie Kapitän Keats vertraut hätten. Ich verspreche Ihnen, daß ich mich später für Sie einsetzen werde.« Die Worte schienen in der Luft zu hängen.
Der Mann sah ihn ernst an. Er schien sich gefangen zu haben und nicht nur wegen eines Versprechens, das vielleicht nicht eingehalten wurde.
»Jawohl, Sir.« Er nickte langsam, dann fragte er: »Die Eisen, Sir?«
Adam blickte Martin an.
Er hält mich wahrscheinlich für verrückt.
»Lassen Sie sie abnehmen.« Die Eskorte trat wieder ein, und Richie wurde weggeführt.
Tue ich recht daran, ihm zu vertrauen?
Doch er sagte nur: »Lassen Sie mich jetzt allein, Aubrey.« Als sich Martin zum Gehen wandte, fügte er hinzu: »Wir sehen uns bei Morgengrauen.«
Als sich die Tür geschlossen hatte, setzte er sich und blickte auf den leeren Stuhl. Es war seltsam, daß er über Richie mehr wußte als über die meisten Männer seiner Besatzung. Auf das Wort eines Deserteurs hin schoß das Schiff vorwärts durch die Nacht, abhängig von den Fähigkeiten der Männer, die von Preßpatrouillen eingefangen worden waren. Wahrscheinlich hatten viele von ihnen vorher noch kein Schiff betreten. Das war wenig genug.
Er war überrascht, weil seine Zweifel fort waren. Sie hatten jetzt ein Ziel, weil er so entschieden hatte.
Er legte ein Blatt Papier auf den Tisch, und nach einem Augenblick begann er zu schreiben.
Meine liebe Zenoria. Am Weihnachtstage des Jahres 1809 segeln wir in ein Gefecht. Der Ausgang ist ungewiß, aber mein Herz ist stark, weil ich an dich denke …
Er stand auf,
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