Daemmerung ueber der See
erkundigte er sich: »Auf diesem Kurs können wir das Riff passieren, ohne den Kurs stark ändern zu müssen?« Er spürte, daß ihn Martin und Dunwoody beobachteten und Partridge zweifelnd die Stirn krauste.
»So sind wir eingelaufen, Sir. Im Riff ist eine Durchfahrt. Eine Ansammlung von Klippen befindet sich auf der anderen Seite.« Er zuckte die Schultern, das war alles, was er wußte.
»Der Skipper behielt sie in Linie, in Deckpeilung, wie er sich ausdrückte.«
Das konnte er sich nicht aus den Fingern gesaugt haben. Aber seit er als Fähnrich auf das Schiff seines Onkels gekommen war, hatte er gelernt, auf seine innere Stimme zu hören. Als Wachoffizier und jetzt als Kapitän zur See, hatte er immer einem Riff in Lee mißtraut, denn jede freie Minute wurde es schwieriger, die Strandung zu verhindern.
Richie blickte ihn an. Ängstlichkeit, Hoffnung, aber auch Furcht erschienen wieder in seinen Augen. Es wäre nutzlos, ihn zu bedrohen, wahrscheinlich eher gefährlich. Adam dachte an den Skipper der
Eaglet,
der unter Deck unter Bewachung stand. Der hatte diese Ansteuerung schon häufiger gemacht, wahrscheinlich öfter, als sich Richie träumen ließ. Er würde jetzt lauschen, darauf hoffen, daß Adam seine schöne
Anemone
in ein entmastetes Wrack verwandelte, den Kiel an einem Riff gebrochen.
Er befahl: »Mit dem Loten beginnen!«
Er beobachtete, wie der Lotgast in den Vorrüsten die Leine mit dem schweren Lotkörper im Halbkreis zu schwingen begann, bis das Lot weit über der schäumenden Bugwelle schwebte. Der Matrose war ein guter Lotgast und sah unbeeindruckt aus, als die Leine mit ihrem ganzen Gewicht an seinem Körper zerrte. Das Licht war noch zu schlecht, um zu sehen, wie der Lotkörper weit voraus flog und die Leine dann auf und nieder kam.
»Kein Grund!«
Partridge murmelte düster: »Es wird schlagartig flach werden, Sir.« Seinem Maaten flüsterte er zu: »Ich schlitze dem Bastard den Bauch auf, wenn er uns auf das Riff setzt!«
Adam entfernte sich von den anderen und erinnerte sich an seinen Rundgang durch die Messedecks, bevor die Männer auf die Gefechtsstationen gerufen worden waren. Es waren bekannte Gesichter darunter gewesen, aber auch viele fremde. Vielleicht hätte er sich mehr darum bemühen sollen, diese Kluft zu überbrücken, anstatt die Segelmanöver und den Geschützdrill zu perfektionieren? Er verwarf den Gedanken wieder. Sein Onkel hatte immer gesagt, daß nur Zusammenarbeit zum Respekt der Männer untereinander führte. Doch Loyalität mußte man sich verdienen.
Er sah den jüngsten Fähnrich, Frazer, der in Portsmouth eingestiegen war. Er war eifrig und voller Erregung, ganze dreizehn Jahre alt, wirkte aber jünger. Er blickte auf die See hinaus, und seine Hand schloß und öffnete sich um seinen Spielzeugdolch. Er war ganz in Gedanken versunken.
»Die Sonne geht auf.« Aber niemand antwortete.
Die letzten Schatten verschwanden aus den langen Wellentälern, und die Wogen schimmerten wie geschmolzenes Glas. Die Farbe des Wassers hatte sich geändert, es war jetzt hellgrün. Etwas Morgendunst lag darüber, der sich mit dem Wind bewegte, so daß das Schiff zu stehen schien.
Das erste Sonnenlicht fiel auf das Deck, beschien die Kanoniere mit ihren Rammstäben, die Auswischer, die Sandeimer, in denen Lunten stecken, für den Fall, daß die Feuersteinzündung versagen sollte. Auf den Decks unter den Laufgängen war Sand gestreut worden, damit die Männer nicht ausrutschten, wenn eine Welle hereinspülte. Adam biß die Zähne zusammen.
Oder Blut.
Direkt über ihm bewegte sich wenig, denn die großen Untersegel waren aufgegeit, damit man eine bessere Sicht hatte und das Feuerrisiko vermindert wurde. Auf einem Schiff wie diesem, dessen knochentrockene Holzplanken mit Teer versiegelt waren, konnte schon ein brennender Pfropfen, der aus einer der Kanonenmündungen fiel, gefährlich werden.
Farbe kam wieder in das Rigg, die Jacken der Marines leuchteten scharlachrot, und die Bajonette blinkten wie Eis.
Adam betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die wartenden Geschützmannschaften und die anderen Männer und Jungs aller Altersstufen, die darauf warteten, die Rahen zu brassen. Sie kamen aus den unterschiedlichsten Verhältnissen, denn er hatte sich bei seinem Rundgang bei etlichen danach erkundigt. Einige waren erst verschlossen gewesen, hatten dann aber frisch darauflosgeredet, andere waren näher gerückt, um zuzuhören. Viele hatten ihn nur angesehen: Ihren Kommandanten, das
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