Daemmerung ueber der See
sein, daß die Prise
Eaglet
sie verlassen hatte.
Adam beugte sich über die Karte und blickte auf das Ziel, das ihnen der Gefangene verraten hatte. Partridge hatte ihm schon erklärt, daß die Insel Lorraine so gut wie unbekannt war und die Karten unzuverlässig. Es gab eine große Lagune, aber kein Frischwasser, noch nicht einmal Holz für Reparaturen oder das Kombüsenfeuer. Es klang nach einer der Inseln, die Catherine nach der Strandung beschrieben hatte.
Partridge hatte betont, daß sie für den nicht Ortskundigen gefährlich war. Adam lächelte. Wie alles im großen Indischen Ozean. Aus strategischen Gründen hatte diese Insel, wie fast jede in dieser Gegend, häufig den Besitzer gewechselt. Es spielten auch andere Gründe eine Rolle, wie etwa die Suche nach einem Handelsplatz oder Schutzhafen, wenn die schweren Stürme kamen. So wie bei Mauritius, das etwa einhundertfünfzig Seemeilen weiter westlich lag und zuerst von den Arabern, dann von Portugiesen beherrscht wurde. Schließlich kamen die Holländer, die sie nach dem Prinzen Maurice von Nassau benannten. Nach den Holländern kam die Ostindische Kompanie, die dem Ort aber nicht zu Aufschwung verhelfen konnte und sich wieder zurückzog. Seitdem beherrschten die Franzosen die gesamte Inselgruppe. Doch beschäftigte nur eines Adams Gedanken: Lorraine.
Eine Insel war immer einfacher zu verteidigen als einzunehmen. Das hatte sein Onkel viele Male gesagt. Und wenn der Angriff schließlich durchgeführt wurde, würden die Kommandanten der Kriegsschiffe und Armeetransporter über berichtigte Karten verfügen. Nichts über Lorraine zu wissen, bedeutete im dunkeln zu tappen.
Der neue Offizier der Royal Marines, der für seinen unglücklichen Vorgänger Leutnant Montague Baldwin in Portsmouth an Bord gekommen war, bemerkte mit seinem affektierten Akzent: »Sollte dort ein feindliches Schiff liegen, Sir, wird es bald wissen, daß wir kommen.« Als er auf die Karte schaute, leuchtete sein Uniformrock unter den Deckenlampen wie Blut. »Wenn ich eine Abteilung im Schutze der Dunkelheit landen würde, könnten wir Ihnen beim Einlaufen Hilfestellung geben.«
Leutnant Martin runzelte die Stirn. »Da sind jede Menge Riffe, und Sie würden wahrscheinlich mehr Lärm verursachen als wir.«
Leutnant Dacre ergänzte: »Wir sollten die Insel morgen in Augenschein nehmen.« Er grinste den Navigator breit an.
»Das ist jedenfalls meine Meinung.«
Adam blickte sie an. Die Gefahr wirkte stimulierend. Eine Herausforderung, die man annehmen, respektieren und manchmal fürchten mußte. Er war ihr Kommandant. Von seinen Fähigkeiten hingen ihre Reputation und ihr Leben ab.
Er spürte wieder diesen Stolz, der sogar den Gedanken an den Brief, den er Zenoria geschrieben hatte, aus seinem Kopf verdrängte. Hiervon hatte er als Fähnrich geträumt. Er hatte von allen gelernt, die ihn auf dem Weg zu diesem Schiff, seiner
Anemone
, begleitet hatten: sein Onkel, Valentine Keen und sogar Herrick mit seiner soliden Erfahrung. Er hätte fast gelächelt. Niemals würde er Alldays Anteil vergessen. Ein Mann der See, ein wahrer Freund.
Martin schlug vor: »Was ist mit den Gefangenen, Sir? Können die uns nicht helfen?«
Adam blickte auf, seine Augen in die Ferne gerichtet. »Kapitän Tobias? Ich könnte ihn um Rat bitten, weil er die Örtlichkeiten kennt, und dann das Gegenteil tun. Denn er würde uns sicher auf ein Riff lotsen, selbst wenn wir ihn in das Kabelgatt sperren würden, wo er als erster ersaufen würde.«
Martin stimmte zu. »Dann der Bootsmann?«
Adam spürte, wie das Schiff erzitterte, als ob es aus dem Ruder gelaufen wäre; dann sah er die Laternen kreisen, als es wieder in ein langes Wellental fiel.
»Es ist eine Überlegung wert.« Wie die meisten einfachen Seeleute würde der Mann nur wenig wissen, was über seine Pflichten hinausging. Üblicherweise konnten sie die tägliche Navigation bewältigen und die Mittagsbreite mit dem Sextanten nehmen. Doch die Beschäftigung mit Seekarten lag außerhalb ihrer direkten Aufgaben. Viel gefährlicher war, daß der Mann, der wegen des Vorfalls auf der
Maid of Rye
um sein Leben fürchten mußte, alles mögliche erzählen würde, nur um sich bei seinen Gegnern beliebt zu machen.
»Die Brigg hatte genug Versorgungsgüter an Bord, um ein größeres Schiff für längere Zeit auszurüsten. So mußten sie keinen Haupthafen mehr anlaufen und sich der Gefahr aussetzen, daß es von einer unserer Patrouillen aufgespürt wird. Wenn wir denn
Weitere Kostenlose Bücher