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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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war fast dreißig Meter hinter ihm. Konnte es sein, dass sie ihn versehentlich in die Lageretage geschickt hatten?
    Dann geschah etwas ganz und gar Unmögliches. Eine weibliche Stimme sagte eine gute Handbreit vor seinem Gesicht:
«Was wollen Sie hier?»
    Vanowen machte vor Schreck einen Satz rückwärts und fiel beinahe hin. Sein leiser Aufschrei hallte in dem kahlen Flur. Er versuchte sich zu fangen, hielt sich die Brust, noch immer nach Luft schnappend. Hatte er eine Herzattacke?
    Die Stimme sprach wieder, von dieser Stelle mitten in der Luft aus.
«Sie hatten doch Anweisung, sich von hier fernzuhalten.»
    Als ob da ein Geist wäre. Aber war das nicht eine Computerstimme? Sie klang eine Spur künstlich. Britisch. Leland hatte ein ausgeklügeltes Voice-System an der Kundenservice-Anrufannahme. Lindhurst hatte es dem Board letztes Jahr vorgestellt. Es reduzierte die Call-Center-Kosten um 90   Prozent – billiger als Indien. Aber es sprach nicht mitten in der Luft.
    Das war nur ein Trick.
    Vanowen fand seine Fassung wieder. Und gleich darauf seinen Zorn. Dieser Scherz war jenseits jeder Grenze. «Lindhurst! Holen Sie mir Lindhurst her, verdammt nochmal!» Seine Stimme hallte. «So lasse ich mich nicht behandeln!»
    «RUHE!» Das Wort war so laut, dass es die Luft um ihn herum zerriss. Es war eine physische Präsenz, die ihn rücklings umwarf. Benommen lag er auf dem Boden des Flurs. Seine Ohren klangen. Seine Augen tränten. Es war wohl das Lauteste, was er je gehört hatte.
    Er fühlte etwas aus seinem rechten Nasenloch rinnen, griff hin – und hatte Blut an den Fingern. «Großer Gott   …» Er zog ein seidenes Taschentuch heraus und hielt es sich ans Gesicht. Seine Hände zitterten unkontrollierbar.
    Der Schock steigerte sich schnell zu Panik. Er wälzte sich auf alle viere herum, rappelte sich dann hoch und rannte in die Richtung, aus der er gekommen war. Seit Jahren war er nicht mehr richtig gerannt, aber das Adrenalin trug ihn die dreißig Meter zum Fahrstuhl zurück. Keuchend und fast schon hysterisch kam er dort an.
    Aber da war kein Knopf. Die Fahrstuhltüren waren wie ein Sicherheitstor aus gebürstetem Stahl. Das konnte doch nicht sein. Da war kein Fahrstuhlknopf. Da musste doch einer sein.
    Die Stimme war direkt neben seinem Ohr, als hätte er sich überhaupt nicht von der Stelle bewegt. Er fühlte die Luft vibrieren.
«Ihre Firma gehört jetzt mir. Ihre Abteilungen werden sich an ihre neuen Budgets halten. Wenn ein Abteilungsleiter protestiert, schicken Sie ihn zu mir.»
    Vanowens Hände zitterten immer noch. Es war Lindhurst. Lindhurst – oder sonst jemand – steckte hinter dem Ganzen. Es war Erpressung. Das hier war schiere Einschüchterungstaktik.
    «Natürlich bezweifeln Sie, dass ich real bin. Sie bezweifeln, dass ich Sobols Daemon bin, und Sie bezweifeln, dass meine Macht um die ganze Welt reicht. Ich werde Ihnen das Ausmaß meiner Macht beweisen.»
Pause.
«Ich habe Ihnen gerade private Verluste von mehreren Millionen Dollar beschert. Verluste quer durch Ihr Portfolio und nicht diese Firma betreffend. Entweder Sie lernen daraus, oder ich werde Ihr gesamtes Privatvermögen konfiszieren und Sie aus der Firma werfen. Ich habe Sie unter Beobachtung. Haben Sie diese letzte Warnung verstanden?»
    Vanowen starrte auf die Stelle in der Luft. Wartete, dass es vorbei war.
    «HABEN SIE VERSTANDEN?»
    «Ja! Ja! Ja!» Er weinte jetzt fast.
    Die Fahrstuhltür öffnete sich jäh, und Vanowen fiel in die Kabine. Auf allen vieren kroch er in die hinterste Ecke.
    Die Stimme sprach wieder, draußen auf dem Flur, als ob dort jemand stünde und ihn verabschiedete.
«Wenn Sie gegen mich ankämpfen, werde ich Ihnen nur noch mehr Schmerz zufügen.»
    Die Fahrstuhltür schloss sich mit beängstigender Wucht, und die Kabine setzte sich in Bewegung.
    Vanowen saß zitternd da, das Gesicht blutverschmiert.
     
    Den Rest des Nachmittags verbrachte Vanowen in einem Nebel der Benommenheit. In seinem Eckbüro erhielt er Anruf um Anruf von seinen Vermögensverwaltern und Wertpapierhändlern. Millionen Dollar waren von seinen Broker- und Bankkonten verschwunden. Aber schlimmer noch waren die Fehlbeträge des halben Dutzend Offshore-Holdings und der zwei Dutzend beschränkten Partnerschaften, an denen er beteiligt war – teilweise sogar ohne Wissen seiner Frau, geschweige denn der Leland-Leute. Alles in allem hatten sich rund zehn Prozent seines Vermögens plötzlich in Luft aufgelöst. Er hatte gerade achtzig Millionen

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