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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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und Metrum erfunden haben – die Programmiersprache für das menschliche Gedächtnis vor der Erfindung der Schrift. Das war so eine Art Prüfsumme, Mann – ein mnemonisches Hilfsmittel. Man konnte nicht am Code herummanipulieren, weil dann die Reime nicht mehr funktionierten, und das merkten die Leute. So wurde das Wissen eines Volkes unversehrt weitergegeben. Es war ein schamanischer Programmcode. Wenn man am Code herummachte, verlor die Gesellschaft ihr kollektives Gedächtnis. Kapierst du, was ich sagen will?»
    Pause.
    «Hey, ich glaube, unser Mann hier kommt zu sich.»
    Sebeck schlug die Augen auf. Sein Blick fokussierte sich langsam auf einen bleichgesichtigen Jüngling mit einer verfilzten schwarzen Haarmähne. Ein Dreitagebart überzog seinen Hals wie ein Schatten und kroch ungewöhnlich hoch die Wangen hinauf. Reichlich behaart, der Junge.
    Sebeck blinzelte in die Lampe über ihm. Er hustete und versuchte sich aufzusetzen. Eine steinharte Oberfläche drücktegegen seine Ellbogen, als er sich hochzustemmen versuchte. Er gab den Versuch sofort wieder auf, da ihm schwindlig wurde.
    Der Behaarte beugte sich über ihn. «Hey, Bro, gehen Sie’s langsam an. Ihr Stoffwechsel ist noch dabei, die Substanzen abzubauen.»
    Sebeck bemerkte, dass der Junge einen Laborkittel trug. Er versuchte sich zu erinnern, wo er sich befand. Sein Gehirn war Kartoffelbrei.
    Seine Stimme krächzte. «Wo sind wir hier?»
    «Phoenix-Bestattungsdienst. Mit Phoenix zu Asche, sag ich immer.»
    Sebeck versuchte wieder, sich aufzusetzen, und schob die Hände des Jungen weg, als der ihm helfen wollte. «Wer   –» Er verstummte jäh: Seine Kehle tat höllisch weh. Er griff sich an den Kehlkopf. Äußerlich so weit okay.
    Sebeck beugte sich zur Seite und sah sich um. Versuchte, seine Augen auf eine etwas größere Entfernung einzustellen. Er befand sich in einem länglichen Raum mit mehreren Untersuchungstischen. An den Wänden waren Eichenholzschränke. Ein starker chemischer Geruch drang ihm in die Nase. Diesen Geruch kannte er irgendwoher. Formaldehyd.
    Sebeck war schlagartig hellwach – auf einem Stahltisch neben ihm lag ein nackter alter Mann. Der Alte war eindeutig tot, da sein Körper das bleiche, eingefallene Aussehen hatte, das sich einstellt, wenn Blutdruck und Atmung fehlen.
    «Wo bin ich?»
    «Wie ich schon sagte, Mann: Bestattungsinstitut. Da, wo tote Leute hinkommen. Das ist Vorschrift. Und Sie, mein Freund, sind offiziell tot. Gibt jede Menge Papierkram, der es beweist.»
    Sebeck sah sich noch einmal um, brachte dann seinen Blick dazu, wieder den Typen zu erfassen. «Wer sind
Sie

    Der Junge wischte seine Hand am Laborkittel ab und streckte sie dann Sebeck hin. «Laney Price. Leichenvorbereiter. Ich nehme die Schrittmacher und so was raus. Das Zeug explodiert, wenn es in den Verbrennungsofen kommt.»
    Sebeck ignorierte Price’ Hand und versuchte, den Rest Benommenheit abzuschütteln. Er blickte auf den Boden, schwang dann die Beine über die Kante des Untersuchungstischs und setzte sich auf.
    Price wollte zugreifen, um ihn zu stützen, aber Sebeck schob ihn weg. Er sah an sich hinab. Er trug legere Hosen und einen Hemdpullover. Neben ihm auf dem Untersuchungstisch lag sein zerknitterter Gefängnisoverall. Er ergriff ihn und knautschte ihn zusammen.
Richtig
. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Er war gerade wegen mehrfachen Mordes an FB I-Be amten hingerichtet worden. Er war der meistgehasste Mann Amerikas.
    Er ließ den Khakioverall fallen, saß bewegungslos da und starrte auf seine Hände. Eine Woge heftiger Gefühle überrollte ihn, und er atmete stoßweise.
    Er lebte.
    Price klatschte ihm eine Hand auf die Schulter. «Hey, Sergeant, Sie sind nicht tot, Mann. Locker bleiben.»
    Sebeck stieß Price’ Arm weg und packte ihn an der Kehle. «Was zum Teufel läuft hier?»
    Price wand sich los, während Sebeck von der Anstrengung ganz schwindelig wurde. «Das frag ich
Sie
. Sie haben mich doch herbeordert.»
    Sebeck schüttelte immer noch den Kopf, um ihn klar zu kriegen. Herrgott, seine Kehle tat höllisch weh. «Wovon reden Sie?»
    «Hier   …» Price stapfte zu einem Pinnbrett an der Wand und riss einen Zeitungsausschnitt herunter. Dann kam er wieder an den Untersuchungstisch und tippte mit dem Fingerauf das Papier – ein Aktenfoto von Sebeck unter der Überschrift:
Sebecks makabre Botschaft
.
    «Botschaft ist angekommen, Kamerad.»
    Sebeck schnappte sich den Zeitungsausschnitt: Der Artikel war monatealt. Sein Kopf wurde

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