Daemonen des Lichts
scharf die Luft ein. Die Mensch-Engel-Energie war hier viel stärker und drohte, ihn zu überwältigen. Das war es also, was er von draußen gespürt hatte: dieses Mädchen. Aber was war sie? Während er sein Bewusstsein weiterhin in höheren Sphären hielt, öffnete Alex die Augen … und sah die leuchtende Gestalt eines Engels über dem schlafenden Körper des Mädchens schweben.
Blitzschnell riss er die Waffe aus dem Holster. Doch obwohl sein Finger bereits am Abzug zuckte, signalisierte ihm sein Unterbewusstsein, dass etwas nicht stimmte, nicht passte, fehlte …
Als ihm aufging, was es war, machte er große Augen. Er pirschte um den Sofatisch herum, behielt die Kreatur jedoch weiter im Visier. Sie schwebte mit auf dem Rücken zusammengelegten Flügeln und leicht gesenktem Kopf in der Luft, friedlich, als schliefe sie. Und es war keine Einbildung: Der Engel schien sich Alex' Anwesenheit nicht bewusst zu sein.
Doch das war noch nicht alles: Er hatte keinen Heiligenschein.
Entgeistert schüttelte Alex den Kopf. Das konnte nur eine Halluzination sein. Das liebliche Gesicht des Engels war heiter und gelassen; es war ein vergrößertes Abbild des Gesichts des Mädchens. Doch dort, wo eigentlich ein Heiligenschein den Kopf umrahmen sollte, war … nichts. Der Heiligenschein war das Herz eines Engels, ohne ihn konnte er nicht überleben. Alex’ Blick schoss erneut zu dem schlafenden Mädchen hinüber. Die Erscheinung war ganz offensichtlich ein Teil von ihr, auf irgendeine Weise waren sie miteinander verbunden. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Er wusste es nicht, denn sein ganzes Wissen und seine Erfahrung sagten ihm, dass Engel sich nicht gleichzeitig in ihrer menschlichen und himmlischen Form manifestieren konnten.
Beunruhigt starrte Alex auf das Mädchen. Er ertappte sich dabei, dass er ihr Gesicht betrachtete. Vage bemerkte er das matte Gold ihrer Augenbrauen und ihre Wimpern, die auf ihren weichen Wangen lagen. Sein Kopf flog hoch, als er in der Auffahrt einen Wagen hörte. Das Mädchen auf dem Sofa bewegte sich und vergrub den Kopf tiefer in seinem Kissen. Alex schlich zum Fenster. Er schob die Vorhänge einen winzigen Spalt auseinander und beobachte, wie eine alte gelbe Corvette hinter dem Toyota einparkte. Das Motorengeräusch verstummte und ein dünnes braunhaariges Mädchen mit Unmengen von Lidschatten stieg aus. Alex überprüfte sie schnell. Sie war durch und durch menschlich.
Als sie auf die Haustür zuging, ließ er den Vorhang wieder zufallen und schlüpfte ins Esszimmer, wo er sich neben der Schiebetür an die Wand presste. Leise wurde der Türklopfer betätigt – zaghaft klopfte es ein Mal, dann ein zweites Mal. »Willow!«, rief das Mädchen mit gedämpfter Stimme. Es klang, als schaue sie zu den Schlafzimmerfenstern hinauf. »Hallo! Guten Morgen … bist du schon wach?«
Aus dem anderen Raum kam ein Stöhnen, als das Mädchen langsam aufwachte. Alex reckte den Hals und sah voller Verwunderung zu, wie das leuchtende Engel-Bild flackerte und allmählich verblasste.
»Willow!«, zischte das Mädchen auf der Veranda und klopfte erneut. »Mach auf. Ich hab mein Handy vergessen!«
Das andere Mädchen – Willow? – hob seinen verwuschelten Kopf und blinzelte schlaftrunken in Richtung Haustür. Der Engel verschwand. Gähnend warf sie die Wolldecke zurück, stand auf und steuerte auf das Esszimmer zu. Alex drückte sich eng an die Wand und sein Herzschlag beschleunigte sich. Sie tapste vorbei, ohne ihn zu bemerken. Als sie in den Flur ging, sah er, dass sie eine rosa Schlafanzughose und ein hellgraues T-Shirt trug. Sie war klein und zierlich, allerhöchstens einen Meter sechzig oder so, aber ungefähr in seinem Alter. Sie war schlank und ihre Figur war perfekt.
Von dem Engel war jetzt nichts mehr zu sehen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass das Mädchen überhaupt irgendetwas Nicht-Menschliches an sich hatte.
Er hörte, wie sich die Haustür öffnete. »Nina, was machst du hier?«, fragte das Mädchen müde. »Es ist mitten in der Nacht.«
Ninas Stimme klang angespannt. »Ich weiß, aber ich konnte nicht schlafen. Ich musste die ganze Zeit an Beth denken – und an das ganze Zeug, was du mir gestern erzählt hast.«
Nach einer kurzen Pause seufzte Willow. »Ich habe auch nicht viel geschlafen. Ich bin wohl vor dem Fernseher eingedöst. Pass mal auf, warte hier. Ich mach uns einen Kaffee.«
»Warte hier?« Nina klang verwundert. »Habe ich jetzt Hausverbot, oder was?«
»Ja, zu
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