Dämonen-Spiele
anderen. »Ich meine, es wäre eine echte Herausforderung, jemanden darzustellen, der so… so völlig anders ist.«
»Darin liegt ja gerade die Kunst der Schauspielerei«, erklärte Morris. »Eine Rolle anzunehmen, die dem eigenen Wesen übe r haupt nicht entspricht, und das auch noch möglichst überzeugend zu tun. Das würde dein Talent ordentlich auf die Probe stellen.«
»Na ja, ich bin eigentlich keine gute Schauspielerin. Ich hatte auch noch nie Gelegenheit, in einem richtigen Stück mitzuspielen.«
»Ja, bisher vielleicht nicht«, versetzte Morris. »Ich erkläre euch jetzt mal die Rollen. Da ist erstens Lautsprecher, der Bösewicht. Das ist ein mächtiger Magier.«
»Hm«, machte Kim zweifelnd. Jenny konnte es ihr nachempfi n den. Es war schon Herausforderung genug, einen Mann zu spielen, noch dazu einen Bösewicht, erst recht aber einen Magier, wo sie doch so wenig über solche Leute wußte.
»Ich werde gern den Lautsprecher spielen, jedenfalls diesmal«, erbot sich Cyrus. »Es ist wirklich eine herausfordernde Rolle, so völlig anders als ich selbst.«
Morris nickte. »Und dann ist da noch Wasserstoff, ein guter M a gier.«
»Gibt es denn gar keine, äh, ganz einfachen Rollen?« fragte Kim in klagendem Tonfall.
»Ein paar«, meinte Morris. »Aber ich dachte, du wolltest eine Hauptrolle haben. Die scheint mir eigentlich ganz gut geeignet zu sein.«
Jenny bemerkte, wie groß die Versuchung trotz aller Verunsich e rung für Kim war. Also stieß sie sie an. »Warum versuchst du es nicht mal, Kim? Schlimmstenfalls könntest du die ganze Sache furchtbar versieben.«
Kim hielt inne und überdachte die Angelegenheit, wie Jenny es schon getan hatte. Wenn sie alles versiebte, würde der Meermann sie vielleicht nicht mehr anziehend finden und auch nicht mehr um ihre Hand anhalten. Das mochte zwar peinlich sein, wäre aber nur zum Besten. Und so stimmte sie schließlich zu. »Also gut. Ich ü bernehme den Wasserstoff.«
»Hervorragend«, sagte Morris. »Gut. Lautsprecher, der ja ein b ö ser Magier ist, hat keine Freunde. Wasserstoff, der Gute, dagegen schon. Zu diesen gehörte auch die junge Frau Bec, die immer b e reit steht, um Hilfe zu leisten. Wenn Jenny vielleicht die Rolle di e ser treuen Gefährtin und Ratgeberin übernehmen mag…«
»Aber ja!« rief Jenny. »Dann spiele ich die Bereitschafts-Bec.«
»Dann gibt es da noch eine ganze Anzahl weiterer Männer, alles unbedeutende Rollen, vom Armen bis zum Magier. Dazu ihre E hefrauen und Familien. Meine Frau und ich werden diese Rollen spielen, und meine Gattin übernimmt auch noch die Hinte r grundmusik, damit alles realistischer wird. Es bedarf nur einer g e wissen Bereitschaft zur Zusammenarbeit und der Einbildungskraft, dann wird sich die Szene schon vor uns herausbilden.«
Jenny überlegte, wie das sein könnte. Schließlich verfügten die Meerleute doch gar nicht über Illusionsmagie. Aber das war schließlich auch nicht weiter wichtig. Sie hoffte nur, daß die G e schichte Cyrus von Kim ablenken würde, damit dem Schauspiel nicht noch eine unbehagliche Szene folgte. Aber sie war sich alles andere als sicher, daß es tatsächlich so kommen würde.
»Nun muß ich noch erläutern, daß wir uns während dieser Da r stellung nicht umherbewegen«, fuhr Morris fort. »Wir sprechen unsere Rollen nur. Du erleichterst dir die Sache vielleicht, indem du dabei die Augen schließt, jedenfalls zu Anfang, bis du richtig in Stimmung gekommen bist.«
Jenny leistete diesem Rat nur zu gern Folge. Sie betrachtete sich selbst ohnehin nicht als große Schauspielerin, und dies machte die Sache doch um einiges leichter. Dann fiel ihr ein, daß sie noch auf andere Weise dazu würde beitragen können: durch Summen. Denn ihr magisches Talent bestand darin, beim Summen einen Traum auszubilden, in den jeder, der nicht darauf achtete, eintreten kon n te. Vielleicht könnte sie ja einen Traum schaffen, wie der Mee r mann ihn beschrieb – dann würden sie alle den Eindruck haben, sich tatsächlich darin zu befinden.
»Aber wo ist denn das Skript?« fragte Kim.
»Welches Skript?« Morris klang verwundert.
»Von dem wir unseren Text ablesen. Damit wir auch wissen, was wir sagen müssen.«
»Ach so! Nein, so etwas brauchen wir nicht. Ich werde eine Ei n führung geben und den Hintergrund des Ganzen schildern. Dann spricht jeder so, wie es zu seiner Rolle paßt. Es ist nie zweimal haargenau dasselbe Stück. Das macht die Sache immer wieder frisch und lebendig.«
»Aha.
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