Dämonen-Zwillinge
Farbe mich an die reifer Kirschen erinnerte.
Das alles sah ich trotz der Dunkelheit, denn die beiden Frauengesichter leuchteten von innen, und deshalb waren sie auch für mich so gut zu erkennen.
Warum waren sie erschienen?
In kürzester Zeit huschten zahlreiche Gedanken durch meinen Kopf, auf die ich leider keine Antworten wusste. Ich kannte sie nicht. So sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, ich hatte sie noch niemals zuvor gesehen. Sie waren völlig fremd, aber sie waren etwas Besonderes, denn sie hatten die Regeln und Gesetze der Physik überwunden und waren in meiner Wohnung auf diese schon unglaubliche Art und Weise erschienen.
Dass sie sich auch akustisch melden konnten, hatte ich gehört. Und ich ging deshalb auch davon aus, dass sie in der Lage waren, mir zu antworten, wenn ich eine Frage stellte und sie eine Unterhaltung überhaupt mit mir wollten.
Eine unmittelbare Gefahr spürte ich nicht. Deshalb ließ ich auch mein Kreuz stecken. Auf den Test konnte ich verzichten – zunächst jedenfalls.
»He, wer seid ihr?«, sprach ich die Zwillinge mit leiser Stimme an.
Ich erhielt eine Antwort, aber sie war nicht zu begreifen. Zuerst sah ich, wie sie gemeinsam die Lippen bewegten. Sie sprachen wie aus einem Mund. Es war kein Unterschied in den Stimmen festzustellen.
»Wir wollen dich warnen, John Sinclair. Bleib in London. Fahre nicht weg. Man hat über dich gesprochen. Wir haben es genau gehört. Aber wenn du fährst, wird es dein Tod sein...«
Jetzt war es heraus. Jetzt hätte ich eigentlich wissen müssen, weshalb sie mich besuchten, doch ihre Antwort hatte weitere Rätsel in mir hochsteigen lassen.
Sie hatten mich vor einer Reise gewarnt. Nur hatte ich nicht vor, zu verreisen. Weder dienstlich noch urlaubsmäßig, deshalb begriff ich die Warnung nicht.
»Wieso wegfahren? Ich werde nicht fahren. Das habe ich nicht vorgehabt.«
»Es wird dein Tod sein.«
»So einfach stirbt man nicht. Ich denke nicht, dass ich da Probleme haben muss.«
»Fahre nicht. Fordere dein Schicksal nicht heraus. Ich warne dich.« Es wurde in der Einzahl gesprochen, aber beide hatten wieder zur gleichen Zeit gesprochen.
Dann lächelten sie.
Es war ein wissendes und auch geheimnisvolles Lächeln, das ihre Gesichter zeichnete. Sie nickten mir sogar zu. Dieses Nicken kam mir wie ein Abschied vor, der es letztendlich auch war, denn sie zogen sich wieder zurück.
Als wäre es ganz normal, verließen sie den Spiegel. Sie tauchten ein in den Hintergrund, Und ihre Gesichtszüge verschwammen vor meinen Augen.
Plötzlich waren sie nicht mehr da. Ich schaute in die leere Spiegelfläche und sah mich selbst darin als einen Schatten.
Es war ein Phänomen. Es wollte mir nicht in den Kopf. Ich hatte Besuch von zwei fremden, jungen, schönen Frauen bekommen, die mir gegenüber so vertraut getan und mich sogar gewarnt hatten.
Ich schaltete jetzt das Licht ein!
Der erste Rundblick schon machte mir klar, dass sich in meiner Umgebung nichts verändert hatte.
Zumindest nicht hier in der Diele. Es war alles wie sonst. Niemand hatte etwas verrückt oder verändert. Der Spiegel hing dort, wo er immer hing. Die Garderobe war auch noch vorhanden, und auch im Wohnzimmer zeigte sich keine Veränderung. Ich fand auch keinen Toten in der Wohnung.
Das Schlafzimmer, das Bad und die Küche suchte ich ebenfalls ab, ohne eine Spur zu entdecken.
In der Küche blieb ich etwas länger, weil ich plötzlich die Trockenheit in meiner Kehle spürte. Ich hatte richtigen Durst oder schon Nachdurst.
Dagegen half am besten ein Schluck Mineralwasser. Ich trank direkt aus der Flasche und merkte, dass es mir besser ging. Ein zweiter und dritter Schluck folgte, dann nahm ich die Flasche mit ins Wohnzimmer.
Ich ließ mich in einen Sessel fallen. Von diesem Platz aus schaute ich auf das Fenster. Im Spiegel hatte ich die beiden Frauengesichter gesehen. Es war deshalb nicht unmöglich, wenn sie sich auch im Fenster zeigten, aber die Scheibe blieb glatt. Dahinter lag die Dunkelheit wie eine Wand, und in ihr bewegte sich ebenfalls nichts.
Okay, die beiden hatten mich gewarnt. Vor einer Reise, das war alles gewesen. Ich hatte nicht vor, zu verreisen. Wenn sie mich also warnten, dann wussten sie mehr als ich und konnten auch in die Zukunft schauen. Das war wirklich unglaublich.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, ins Bett zu gehen und tief und fest zu schlafen. Das war zunächst mal in die Ferne gerückt, denn nach diesem Erlebnis würde ich nicht so leicht in den Schlaf
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