Dämonen-Zwillinge
klingenden Stimme. Aber sie sah keine fremde Gestalt innerhalb des Zimmers.
Dagmar drehte sich um die eigene Achse. In jede Ecke wollte sie hineinschauen, aber es stand niemand da. Obwohl das Deckenlicht nicht eingeschaltet war, reichte die Beleuchtung der einen Nachttischlampe aus. Da erreichte der Schein sogar das Fenster, hinter dem die Nacht ihren dunklen Vorhang gespannt hatte.
Das Fenster!
Es war normal, da gab es nichts Besonderes, aber Dagmar wurde von ihm angezogen wie ein Stück Eisen von einem Magneten. Bereits nach dem ersten Schritt veränderte sich ihr Blick. Er wurde starr und war einzig und allein auf das Ziel gerichtet.
Sie war durch die Bewegung dahinter, davor oder darin aufmerksam geworden, und sie wusste genau, dass dies nicht der Normalität entsprach. Es gab keinen Grund für derartige Veränderungen, denn die waren in den normalen Nächten nie eingetreten.
Aber heute!
Und diese Nacht war auch nicht normal. Sie war womöglich entscheidend für ihre Zukunft.
Harry war vergessen. Es ging jetzt allein um sie und ihre Zukunft. In diesen Sekunden wurde ihr klar, dass sie den Weg allein gehen musste. Sie musste sich der Vergangenheit stellen, wie jeder andere Mensch auch. Es hatte keinen Sinn, davor zu flüchten. Das würde ihr nur noch größere innerliche Qualen und Gewissensbisse einbringen.
Und so blieb sie bei der Richtung. Sie wich nicht ab, das Fenster war wichtig, denn in der Scheibe war es etwas heller als in der Umgebung, und dort zeichneten sich zwei Gesichter ab.
Die Zwillinge waren gekommen!
Und sie lächelten wie zwei Teufelinnen...
***
Es war in der Tat mehr als ungewöhnlich, was mir mein deutscher Freund da mitgeteilt hatte. Nicht allein, dass die beiden Schwestern als Phänomen bezeichnet werden konnten, es kam auch noch hinzu, dass sie indirekt die Töchter der Dagmar Hansen waren und dass sie ihre Mutter in ferner Vergangenheit schon einmal umgebracht hatten und nun erneut erschienen waren.
Aber nicht nur bei Harry und Dagmar, sondern auch noch bei mir in meiner Wohnung. Das zu fassen fiel selbst mir schwer, obwohl ich schon einiges hinter mich gebracht hatte.
Es gab einen Zusammenhang. Es musste einen geben, sonst hätte ich sie nicht im Spiegel meiner Wohnung entdeckt. Aber welchen? Was hatte ich mit ihnen zu tun?
Okay, auch ich hatte mehrere Wiedergeburten erlebt, war aber damit weniger konfrontiert worden, und mich verband zudem keine Verwandtschaft mit den Psychonauten. Das lief auf einer ganz anderen Schiene. Deshalb glaubte ich nicht daran, dass der Grund für das Erscheinen der beiden bei mir unbedingt damit zu tun hatte.
Nur war ich durch das Erscheinen in den Fall hineingezogen worden, und ich hatte mich bereits jetzt entschieden. Ich würde mitmischen, und zwar so kräftig wie möglich.
»Du bist noch dran, John?«, stellte Harry die Standardfrage, wenn jemand eine Weile lang nichts von dem anderen Gesprächspartner gehört hat.
»Sicher, ich bin noch da.«
»Und was denkst du?«
»Tja, das ist schwer zu sagen. Ich habe überlegt, aber ich kann dir leider keine exakte Auskunft geben. Ich bin damit überfragt, wie man so schön sagt.«
»Ich ebenfalls, John, denn ich weiß nicht, was sie mit dir zu tun haben. Oder hast du sie schon öfter gesehen?«
»Nein, sie sind mir heute zum ersten Mal erschienen. Ich habe sie nicht mal im Traum gesehen.« Nach diesen Worten musste ich leicht lachen. »Aber ich kann dir versichern, Harry, dass ich von nun an mit im Boot sitze.«
Dass ihn meine Antwort beruhigt hatte, hörte ich an seinem Atemzug. »Sehr gut, John, denn darum wollte ich dich bitten. Ich habe ja angerufen, um zu fragen, ob du bereit bist, zu kommen. Dagmar und ich fühlen uns überfordert. Leider kommt noch etwas anderes hinzu. Wir können uns nicht nur auf diesen einen Fall konzentrieren. Wir stecken beide in der Tretmühle. Ich noch tiefer als Dagmar. Dir brauche ich ja nicht zu sagen, wie sehr mein Job schlaucht.«
»Was heißt das konkret?«
»Dass ich morgen weg muss«, gab er mit leiser Stimme zu. »Es ist mal wieder eine dieser Strategie-Konferenzen angesetzt worden. Du weißt selbst, dass der elfte September einiges verändert hat. Da kann ich nicht fehlen. Ich werde sowieso von einigen Kollegen schief angeschaut, wenn ich mich um den Quatsch kümmere, wie manche behaupten. Wenn ich die Wahrheit als Grund angeben würde, hätte man mich nur ausgelacht. Das steht auch fest, John.«
»Da gebe ich dir Recht.«
»Deshalb brauche ich
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