Daemonenblut
schluckte jeden weiteren Widerspruch herunter. Hugh hatte recht. Sie konnten genauso gut in der Nähe sein. » Okay, ich warte. «
Hugh machte sich aus dem Staub und ich stand wie eine Zielscheibe an der Straßenecke. Inzwischen war es dunkel geworden und auf der Oxford Street herrschte noch immer reges Treiben, trotzdem fühlte ich mich, als hätte jemand über meinem Kopf einen leuchtenden Pfeil mit den Worten Opfer hier! angeknipst. Unbehaglich zog ich mich ein Stück von der Hauptstraße zurück und setzte mich auf den Mauervorsprung vor dem Schaufenster eines Buchladens.
Eine Ewigkeit verging, bis Hugh endlich wieder auftauchte. Und als er plötzlich neben mir aufploppte, fuhr ich erschrocken zusammen.
» Alles klar, die Luft ist rein! «
» Wo hast du so lange gesteckt? «
» Hey, ich mache meine Arbeit gründlich! « , beschwerte er sich. » Ich habe alle Straßen rund um den Laden inspiziert– mehrmals übrigens– und das High Tea und sämtliche anderen Cafés in Sichtweite abgegrast. Der Kerl ist definitiv nicht hier. «
Wir gingen die Museum Street entlang, wobei ich trotz Hughs Entwarnung nicht aufhören konnte, mich ständig nach allen Seiten umzusehen. Er konnte mir noch so oft versichern, dass der Farblose nicht hier war, das ungute Gefühl, das sich in mir eingenistet hatte, seit ich wusste, dass er den Laden seit Tagen beobachtete, wollte einfach nicht verschwinden.
An der Straßenecke vor dem Laden blieb ich stehen und kramte den Schlüssel aus meiner Jeanstasche. Ich atmete einmal tief durch und straffte die Schultern. » Also gut, bringen wir es hinter uns. «
» Ich passe weiter auf « , sagte Hugh. » Sollte ich auch nur den leisesten Verdacht haben, dass sich hier draußen was tut, schlage ich Alarm. «
Bevor ich noch etwas sagen oder es mir anders überlegen konnte, war er schon wieder fort. Und mit dem blauen Leuchten verblasste auch mein Mut.
Du brauchst Antworten, sagte ich mir. Und Madame konnte sie mir geben. Sie hatte sich verdächtig benommen und wusste definitiv etwas. Aber sie würde mir nichts tun. So schlecht konnte meine Menschenkenntnis unmöglich sein, dass ich mich so sehr in dieser liebenswürdigen, verschrobenen Frau getäuscht hatte.
Damit sich Nick keine Sorgen machte, falls er mich zu erreichen versuchte, schrieb ich ihm eine SMS .
Bin bei Madame. Keine Angst, Hugh ist bei mir.
Ich hatte bereits auf Senden gedrückt, als mir bewusst wurde, wie meine Nachricht für ihn klingen mochte. Einen Geist als meinen Beschützer zu nennen, den er noch nie gesehen und für dessen Existenz er keine anderen Beweise als mein Wort hatte, war vermutlich nicht sonderlich beruhigend. Ich dachte daran, noch eine SMS hinterherzuschicken, wusste aber nicht, was ich schreiben sollte. Solange ich nicht schrieb, dass ich das Treffen mit Madame abgeblasen hatte und sicher zu Hause saß, gab es nichts, das die Sache besser gemacht hätte. Ich musste der Realität ins Auge sehen: Nick würde mir den Kopf abreißen. Hoffentlich waren die Dinge, die Madame zu sagen hatte, das wert. Seufzend stellte ich mein Handy auf lautlos und steckte es wieder ein.
Mit dem Schlüssel in der Hand ging ich zur Tür. Dass Hugh so gründlich gewesen war, hatte Zeit gekostet. Mittlerweile war es zwanzig nach zehn. Was, wenn Madame inzwischen gegangen war? Im Vorbeigehen warf ich einen Blick zum Fenster. Die Vorhänge in ihrem Reich waren zugezogen, sodass ich nicht sehen konnte, ob sie noch da war, durch einen schmalen Spalt glaubte ich allerdings Licht zu erkennen.
Ich sperrte auf, schob die Tür so vorsichtig auf, dass die Glöckchen darüber keinen Mucks von sich gaben, schlüpfte durch den Spalt in den Laden und drückte die Tür hinter mir sofort wieder zu.
Drinnen war es dunkel, die einzige Lichtquelle war der schwache Schein einer Straßenlaterne, der durch das Schaufenster hereinfiel. Ich wartete, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten, bevor ich den ersten Schritt machte. Keine Ahnung, warum ich so vorsichtig war. Ein Teil von mir hatte sich offenbar noch nicht entschieden, ob ich wirklich allein mit Madame sprechen wollte. Vielleicht fiel mir die Entscheidung leichter, wenn ich zuerst einen unbemerkten Blick auf sie werfen konnte.
Der Perlenvorhang war zur Seite gezogen, sodass ich geräuschlos daran vorbeikam.
Ich war bereits auf halbem Weg durch den Wartebereich, als ich Madames Stimme durch die angelehnte Tür hörte. Vorsichtig schlich ich näher, um zu hören, mit wem sie
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