Daemonenblut
telefonierte.
» Das ist wirklich unglaublich « , raunzte Madame. » Wie kann er mein Vertrauen so missbrauchen! Einfach hier einzubrechen! Das ist das Letzte! «
» Wer hier wessen Vertrauen missbraucht, ist die Frage « , kam die Antwort eines Mannes.
Scheiße! Sie telefonierte nicht. Der Kerl war hier!
Wie angewurzelt stand ich da und starrte auf den Türspalt. Dahinter bewegte sich etwas. Die Umrisse einer Gestalt wurden sichtbar. Ein Mann. Er stand mit dem Rücken zu mir, sodass ich sein Gesicht– und seine Augen– nicht sehen konnte. Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Dann sah ich sein Haar. Blond. Er war blond. Wer auch immer der Kerl sein mochte, es war nicht der mit den farblosen Augen, der hatte dunkles Haar.
Wieder hatte Madame von einem Er gesprochen. Ob es sich dabei um denselben handelte, wie in dem Telefonat, das ich mit angehört hatte?
Leise schob ich mich näher an die Tür heran. Jetzt erhaschte ich auch einen Blick auf Madame. Sie stand so dicht vor dem Blonden, dass er sie bedrohlich überragte. Ihre Haltung wirkte angespannt, doch auf ihrem Gesicht zeichnete sich unverkennbare Wut ab. Und noch etwas– etwas, das sie zu verbergen versuchte, weshalb ich es erst auf den zweiten Blick erkannte. Wer auch immer der Kerl war– er machte ihr Angst.
Es mochte kein Überfall sein, aber es war offensichtlich, dass der Mann Madame bedrohte. Er war groß und breit und ganz sicher zu stark, als dass wir allein mit ihm fertig werden konnten.
Meine Hand glitt in die Hosentasche und legte sich um mein Handy. Langsam, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, bewegte ich mich rückwärts, ohne den Blick vom Türspalt zu nehmen. Sobald ich außer Hörweite war, wollte ich die Polizei rufen.
Ich war drei Schritte weit gekommen, als Madames Blick mich erfasste. Sofort richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann vor sich, doch ihm schien das kurze Aufflackern von Erschrecken in ihren Augen ebenso wenig entgangen zu sein wie mir.
Er fuhr herum. Zwei Schritte, dann war er bei der Tür und riss sie auf. Zum ersten Mal sah ich sein Gesicht.
Es war nicht der mit den farblosen Augen. Der hier war schlimmer. Es war Miles’ Mörder. Der Mann, aus dessen Ring ein Lichtstrahl geschossen war.
Mit einem Satz sprang er auf mich zu. Ich wirbelte herum und rannte los. Er erwischte mich, noch bevor ich den Perlenvorhang erreichte, und verpasste mir einen Stoß, der mich gegen die Wand warf. Der Aufprall war hart. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Sofort zog er mich wieder auf die Beine und drängte mich zurück, bis ich in der Ecke neben dem Durchgang gefangen war.
Hinter ihm kam Madame angelaufen. » Nicht! Lass sie in Ruhe! «
Doch Blondie ließ sich nicht aufhalten. Er legte mir die flache Hand auf die Stirn. Seine Berührung traf mich ins Mark. Es waren nicht seine Finger auf meiner Stirn, die mich so schockierten, sondern die Erkenntnis, die mit dieser Geste kam. Derselben Geste, die auch der Farblose angewandt hatte.
» Sieh mich an « , verlangte er jetzt.
Es war wie ein Déjà-vu.
» Tu es nicht! « Von hinten kam Madame näher.
Keine Ahnung, ob sie mich meinte oder den Blonden– ich für meinen Teil hatte auf jeden Fall vor, auf Madame zu hören. Was auch immer der Kerl von mir wollte, ich würde ihm nicht den Gefallen tun, ihn anzusehen. Das musste ich auch nicht, denn als ich mich weigerte, griff er nach meinem Kinn und hob meinen Kopf so weit an, dass ich ihm in die Augen sehen musste.
Zumindest, wenn ich sie nicht vorher geschlossen hätte.
» Hugh! « , brüllte ich und kniff die Augen so fest zusammen, wie ich konnte. » Hilfe! «
Ich hatte keine Ahnung, ob er mich hören würde oder zu weit entfernt war. Aber ich musste es einfach versuchen. Während ich die Augen weiter geschlossen hielt und im Griff des Blonden festsaß, brüllte ich immer wieder wie verrückt nach Hugh.
Du wirst jetzt still sein.
Die Stimme traf mich ins Mark. Schlagartig verstummten meine Hilferufe. Ich wusste nicht, ob der Blonde laut gesprochen hatte oder ob ich ihn nur in meinem Kopf hörte. Seine Worte zupften und zerrten an meinem Verstand und ließen mich vergessen, was ich eigentlich hatte tun wollen.
Du wolltest um Hilfe rufen, hörte ich mich aus einem Winkel meines Verstandes sagen. Doch das kam mir seltsam vor. Warum sollte ich das wollen? Ich war doch gar nicht in Gefahr.
Öffne die Augen.
Ich folgte der Aufforderung. Etwas in mir wollte es nicht tun. Es war gefährlich, auf den
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