Daemonenblut
Drizzle… das Jenseits war für Pepper längst zur Realität geworden.
» Seit wann ist er wieder da? « , fragte ich, in der Hoffnung, von meinem Wahrheitsausbruch abzulenken.
» Er ist gestern Abend wieder aufgetaucht. « Pepper grinste. » Als ich nach Hause kam, steckte er im Briefschlitz in der Tür fest. Er hat wohl versucht, durch den Schlitz in die Wohnung zu kommen, und dabei seinen Bauch ein wenig arg unterschätzt. Jedenfalls ist er der Ansicht, erst einmal genug von der Stadt gesehen zu haben. Die Nacht hat er damit verbracht, Moms Alkoholvorräte niederzumachen und die Speisekammer zu plündern. Jetzt schläft er seinen Rausch aus. «
» Wird er dieses Mal bleiben? «
» Wirst du mit deinen Ablenkungsversuchen aufhören? «
» Nicht, wenn ich nicht muss. «
Das regelmäßige Schnarchen ging in abgehackte, schnell aufeinander folgende Grunzlaute über. Dann ein Husten. » Mann, Mann, Mann « , brummte der Kobold, setzte sich auf und stieß dabei mit dem Kopf gegen die unteren Äste des Bonsais. » Beim haarigen Ar…Backenbart meiner Großmutter! Bäume sind auch nicht mehr das, was sie mal waren! « Er zog seine Hose und den Pulli zurecht, dann entdeckte er mich. » Hey-ho, Puppe! Bist du gekommen, um auf meine Rückkehr anzustoßen? «
» Sie ist hier, um mit mir zu reden « , sagte Pepper. Vielsagend fügte sie hinzu: » Mädchensachen. «
Drizzle verdrehte die Augen. » Jungs, Farbe im Gesicht und dämliche Klamotten, die niemandem gefallen. Ich geh mal schauen, was bei deiner Mutter in der Glotze läuft. « Mit einem Satz schwang er sich von der Fensterbank und marschierte durch die angelehnte Tür hinaus.
» Okay, jetzt noch einmal von vorne. Was ist mit deiner Mutter? «
» Ich glaube, ich kann das nicht wiederholen. « Die Worte wären mir glatt im Hals stecken geblieben.
» Gut, dann übernehme ich das. Du denkst also, dass sie ein Dämon war? Bist du sicher? «
» Natürlich ist sie sicher « , rief Drizzle vom Gang. Er war hinter der Tür stehen geblieben und steckte den Kopf jetzt wieder zu uns herein. » Du denkst immer noch, dass ich mich ihr freiwillig gezeigt habe, oder? «
Pepper und ich starrten den Kobold an. Drizzle kann nur gesehen werden, wenn er es auch will. Oder von seinen eigenen Leuten. Das hatte sie an dem Abend zu mir gesagt, als sie mit Drizzle im Laden aufgetaucht war.
» Deshalb konnte ich dich sehen, oder? Nicht, weil du es wolltest, sondern wegen… «
» Wegen deines Dämonenbluts. « Drizzle nickte. » Du bist eine Jenseitsbraut, Puppe. «
» Ich bin ein Dämon « , flüsterte ich.
» Ein halber « , korrigierte Pepper.
» Aber eine ganze Dramaqueen « , fügte Drizzle hinzu. » Ganz ehrlich? Mädchengeheule ist nicht gut für meinen Blutdruck. Wenn ihr drüber weg seid oder den Schreck mit einem ordentlichen Gläschen runterspülen wollt, könnt ihr mich ja rufen. «
Dann ging er und Pepper drückte die Tür hinter ihm zu. Vielleicht hätten wir ihn aufhalten sollen, immerhin kam er aus derselben Welt wie meine Mutter. Er konnte mir mehr darüber erzählen– auch über die Dämonen.
Pepper schüttelte den Kopf. » Bevor du den Wicht löcherst, musst du das erst einmal verdauen. «
» Hast du denn keine Angst vor mir? «
» Du hast bisher nicht versucht, mich zu fressen, ich denke, du wirst auch jetzt nicht plötzlich deinen Appetit auf Menschenfleisch entdecken. Falls doch, sag Bescheid, dann hol ich dir Salz und Pfeffer. «
Menschenfleisch. Das war es, wovon sich Dämonen ernährten. Hatte Mom…? Würde ich, wenn ich es einmal probiert hatte…? Nicht dass ich vorhatte, es zu probieren, aber vielleicht war es mit der Lust auf Menschenfleisch ähnlich wie mit dem Blutdurst von Vampiren– eine gewisse Zeit kann man widerstehen, aber irgendwann wird der Drang zu stark und schon hat man seine Zähne in den Nachbarn geschlagen. Kopfschüttelnd vergrub ich das Gesicht in den Händen, um die Bilder loszuwerden, die in mir aufstiegen. Abgesehen davon, dass mir schon wieder die Tränen kamen, änderte sich nichts.
» Hey. « Das Bett gab leicht nach, als sich Pepper neben mich setzte und einen Arm um meine Schultern legte. » An dir ist nun wirklich nichts Dämonisches, Riley. «
» Nur weil man etwas nicht sieht, heißt das nicht, dass es nicht da ist « , schniefte ich. » Drizzle kann schließlich auch unsichtbar sein, so wie meine dämonische Fratze und mein Hunger auf– «.
» Okay, vielleicht bin ich nicht die Richtige dafür. « Pepper
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