Daemonenblut
sprang auf, schnappte sich ihr Handy vom Schreibtisch und verzog sich in die hinterste Ecke des Zimmers. » Nicht weglaufen! « , sagte sie zu mir und hielt den Zeigefinger in die Höhe, als wäre ich ein Hund, dem sie ein Kommando gab. Sie drückte ein paar Tasten und sprach dann in ihr Handy. Keine Ahnung, was sie sagte oder zu wem– meine sich im Kreis drehenden Gedanken übertönten alle anderen Geräusche im Raum.
Erst als Pepper mich anstieß, schreckte ich auf. Keine Ahnung, ob sie mich angesprochen hatte und wenn ja, wie oft. Sie hielt mir das Handy entgegen. » Serena will mit dir reden. «
Überrascht nahm ich das Telefon und hielt es mir ans Ohr. » Hallo? «
» Hi, Riley. Pepper hat mir von deinem Problem erzählt. «
Besten Dank auch, gebt doch gleich ein Inserat in der Times auf. Ich warf Pepper einen finsteren Blick zu. Sie würde ich als Erste fressen, wenn es mich überkam.
» Sorry « , formten ihre Lippen lautlos.
» Eigentlich ist es ja auch gar kein Problem « , fuhr Serena fort, nachdem ich immer noch nichts gesagt hatte. » Für dich ist es bestimmt ein Hammer, das zu erfahren– als würde einem plötzlich jemand erzählen, dass man adoptiert ist–, aber du wirst drüber wegkommen. «
Das Geräusch, das aus meiner Kehle drang, war entweder ein Knurren oder ein ziemlich humorloses Lachen. Serena hatte leicht reden– in ihr steckte auch kein Monster.
» Pepper hat es dir nicht erzählt, aber Cale, mein Freund, ist auch ein Dämon. Kein halber, wie du, sondern zu einhundert Prozent. « Sie sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, als würde sie mir erklären, ihr Freund käme aus Irland. » Er ist weder blutrünstig, noch grausam oder gefährlich, sondern einfach nur der beste Freund, den ich mir wünschen kann. «
» Danke, Süße « , hörte ich eine tiefe Stimme aus dem Hintergrund, gefolgt von etwas, das wie ein Kuss klang.
» Manchmal macht er verrückte Dinge, aber das tun wohl alle Kerle. «
Was sollte ich darauf sagen? Ich hatte gerade gehört, wie ein Mensch einen Dämon in Schutz nahm und sich von ihm küssen ließ. Freiwillig und offenbar nicht ohne Vergnügen. Konnte es wirklich möglich sein, dass nicht alle Dämonen böse waren? Dad hätte sich doch niemals in ein Monster verliebt, oder? Er hatte auch nichts davon erzählt, dass Mom eine Blutspur hinter sich hergezogen hatte. Abgesehen davon wusste ich aus Dads früheren Erzählungen, dass Mom Vegetarierin gewesen war. Aber eben immer noch ein Dämon.
Ein Knacken vom anderen Ende der Leitung riss mich aus meinen Gedanken. Rascheln, dann die Stimme des Jungen– des Dämons: » Hi, Riley, ich bin Cale, besagter Traummann. Zu welcher Gattung gehörst du? «
Erst wusste ich nicht, was er meinte, dann begriff ich, dass er von der Rasse sprach. » Dad nannte es einen Schleierdämon. «
» Na bitte! « , rief er. » Vollkommen harmlos, kein bisschen blutrünstig oder gefährlich. «
Er erzählte mir, dass Schleierdämonen im Jenseits eine wichtige Rolle spielten. Früher einmal waren sie imstande gewesen, die Toten zu erheben, und hatten mit den Armeen dieser Toten ihre Reiche verteidigt. In der heutigen Zeit allerdings verfügten sie nicht mehr über diese Stärke. Aber sie waren noch immer in der Lage, durch den Schleier zu dringen und Kontakt zu Geistern aufzunehmen. Auf diese Weise sammelten sie zum Beispiel Informationen, die sonst verloren gegangen wären, oder nahmen Zeugenaussagen für Prozesse auf, wenn das Opfer nicht mehr am Leben war. Das klang wirklich nicht allzu schrecklich.
» Ein Dämon zu sein « , sagte Cale schließlich, » oder Dämonenblut in sich zu haben, ist nichts Schlimmes. Nur weil du jetzt weißt, was schon dein Leben lang in dir steckt, ändert das doch nichts daran, wer du all die Jahre gewesen bist. Letztlich kommt es nur darauf an, was du jetzt mit diesem Wissen anstellst. «
» Du bist wirklich ein Dämon? « , fragte ich skeptisch. » Du klingst gar nicht so. «
Cale lachte. » Wie müsste ich denn klingen? « Plötzlich verstellte er die Stimme: » Muss jetzt auflegen « , krächzte er. » Zeit für Abendmassaker von Örks, dem Schlächter. «
Jetzt musste selbst ich lachen.
» Gib das Handy her, Örks, der Doofkopf. « Serena.
» Jetzt muss ich mich wirklich verabschieden « , sagte Cale wieder in normaler Tonlage. » Mein menschlicher Sklaventreiber streicht mir sonst den Nachtisch. In ein paar Wochen komme ich mit Serena nach London. Dann kannst du mich weiter
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