Daemonenblut
zu seinem Großvater gefahren. Er hatte dem alten Mann erzählt, dass er seinem Ziel ganz nah war, war sich aber nicht einmal sicher, ob er seine Anwesenheit überhaupt bemerkte. In letzter Zeit verfiel sein Großvater mehr und mehr, ein Verfall, der längst nicht mehr nur körperlicher Natur war. Auch sein Geist zog sich Stück für Stück aus dieser Welt zurück. Zuzusehen, wie der einzige Mensch, von dem Nick sich je verstanden und geliebt gefühlt hatte, immer weiter dahinschwand, war kaum zu ertragen. Allein der Anblick seines Großvaters reichte aus, ihn in seinem Vorhaben zu bestärken. Er würde alles tun, um ihm zu helfen!
Absolut alles.
Deshalb war er hier.
Es war ein Risiko, aber Madame Veritas war das einzige Medium, von dem er sicher war, dass sie auch wirklich über die Fähigkeiten verfügte, die er brauchte. Sein Großvater hatte einmal von ihr gesprochen und sie als das einzig wahre Medium der Stadt bezeichnet. Allerdings wusste diese Madame Veritas nicht nur über Geister, sondern auch über das Jenseits Bescheid. Zu einer Eingeweihten zu gehen, um den Geist eines Artefakthändlers zu beschwören, war gewagt. Er konnte nur hoffen, dass sie Miles nicht kannte und Nick die Geschichte abkaufte, die er sich zurechtgelegt hatte. Risiko hin oder her, eine andere Möglichkeit sah er nicht.
Nachdem alle Versuche, etwas über Adams Verbleib herauszufinden, erfolglos geblieben waren, war dies der letzte Strohhalm, der ihm geblieben war.
Séancen – Wahrsagungen – Lebensberatung – Madame Veritas hat die Antworten auf ihre Fragen, verkündeten grelle Leuchtbuchstaben im Fenster. Es war an der Zeit, sich diese Antworten zu holen.
Nick öffnete die Tür und betrat den Hexenkessel. Das Ambiente war überraschend heimelig. Viel dunkles Holz, dazu warmes Licht und der Geruch von Bohnerwachs und Holzpolitur, der die Luft erfüllte. Alles war auf das typische New-Age-Publikum ausgerichtet– viel Tand, noch mehr Plunder und eine Menge Lebenshilfe in Buchform. Falls es hier auch wirklich Nützliches geben sollte, wurde es vermutlich irgendwo unter dem Ladentisch aufbewahrt und nur auf Nachfrage verkauft. Ganz davon abgesehen, dass echte Zauberei diesen ganzen Firlefanz ohnehin nicht brauchte.
Im Augenblick war er der einzige Kunde im Laden. Ungeduldig winkte er die Rothaarige heran, die hinter dem Tresen stand und ihm lächelnd entgegensah. Ihre Miene verfinsterte sich ein wenig, und es dauerte einen Moment, ehe sie um die Theke herum zu ihm kam. Sie unterzog ihn einer kurzen Musterung und schien zu dem Schluss zu gelangen, dass er keine Sonderbehandlung und erst recht kein weiteres Lächeln verdiente.
» Kann ich dir helfen? «
» Ich habe einen Termin « , sagte Nick kühl. » Sag Madame Veritas, dass ich hier bin. «
Es hatte den Anschein, als wollte sie einfach quer durch den Laden brüllen, dass er da war. Sie hatte den Kopf schon in Richtung eines Durchganges gewandt und den Mund geöffnet, schien es sich dann aber anders zu überlegen. » Bin gleich wieder da « , sagte sie und verschwand hinter den Perlenschnüren.
Nick ignorierte den anderen Verkäufer hinter dem Tresen und ließ den Blick weiter umherwandern. Nie im Leben hätte er freiwillig einen Laden wie diesen betreten. Wären die Umstände andere…
» Ah, Mr Wolfe. « Eine schreiend bunt gekleidete Frau trat durch den Perlenvorhang und kam mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Fast schon fürchtete er, sie wolle ihn umarmen. Als sie ihn jedoch erreichte, streckte sie ihm die Hand entgegen. Unzählige Armreifen klirrten, als Nick sie schüttelte. » Ich bin Madame Veritas. Herzlich Willkommen in meinem Reich. «
Die Rothaarige, die dem Medium gefolgt war, kehrte hinter den Tresen zurück. Es war das Letzte, was er vom Laden sah, denn Madame Veritas belegte ihn sofort mit Beschlag. Mit einer einladenden Geste hielt sie die Perlenschnüre zur Seite und führte ihn in ein Hinterzimmer. Das Zentrum des Raumes, der ähnlich bunt und kitschig gestylt war wie das Medium selbst, nahm ein alter Holztisch mit sechs hochlehnigen Stühlen ein. Und hinter eben jenem Tisch stand die Kratzbürste, die ihm vorgestern fast vor das Auto gelaufen war und dann noch die Frechheit besessen hatte, ihm nicht nur einen pampigen Shake gegen die Scheibe zu werfen, sondern ihn auch noch für ihre eigene Gedankenlosigkeit zu beschimpfen. Arroganter Pimpf hatte sie ihn genannt. Und Lackaffe. Reichlich harmlos im Vergleich zu den Worten, die ihm in diesem Augenblick
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