Daemonenblut
auf Madame Veritas gerichtet hatte. Ihre Züge offenbarten keinen ihrer Gedanken.
Madame Veritas’ Anrufung ging weiter. Nick betrachtete noch immer die Kratzbürste, deren Hand sich angenehm warm in seiner anfühlte, als sich schlagartig etwas veränderte. Es war, als wäre der Raum plötzlich statisch aufgeladen. Die feinen Härchen auf seinem Handrücken und im Nacken stellten sich auf, als ein kühler Lufthauch über ihn hinwegstrich. Sofort richtete er den Blick auf das Medium.
War da ein Flimmern in der Luft, unmittelbar neben ihr? Madame Veritas murmelte etwas und bewegte den Kopf zur Seite, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. Was auch immer Nick gesehen zu haben glaubte, war mit ihrer Bewegung verschwunden.
Mit einem Keuchen zog das Medium die Hände zurück und sank auf dem Stuhl zusammen, als hätte ihr jemand die Luft herausgelassen. Für einen Moment waren ihre schweren Atemzüge die einzigen Geräusche im Raum.
» Es tut mir leid « , sagte sie schließlich, noch immer keuchend. » Ich kann seinen Geist nicht erreichen. Er ist fort. «
» Fort? « , echote Nick.
» Weitergezogen. «
Madame Veritas richtete sich auf. » Wenn ein Toter keine ungelösten Probleme oder offenen Sorgen mehr hat, zieht seine Seele weiter. An einen Ort, an dem wir ihn nicht erreichen können. «
» Versuchen Sie es noch einmal! «
Sie schüttelte den Kopf. » Das bringt nichts. Wenn er noch da wäre, hätte ich ihn zumindest spüren müssen. Aber da war nicht das Geringste, als ich nach ihm gerufen habe. «
Was war mit dem Luftzug und dem Flimmern? War das etwa nichts? Er setzte dazu an, noch etwas zu sagen, doch dem Medium war anzusehen, dass sie keinen weiteren Versuch unternehmen würde. Falls sie es überhaupt je wirklich versucht hatte. Mühsam beherrscht schob er seinen Stuhl zurück und stand auf.
Auch Madame und das Mädchen erhoben sich. Rileys Gesicht wirkte auf den ersten Blick so neutral wie zuvor. Er hätte ihr keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, wäre ihm nicht der Anflug eines Stirnrunzelns aufgefallen, der sich zwischen ihren Augenbrauen eingenistet hatte. Sie wirkte… irritiert. Nick schob den Gedanken beiseite. Wahrscheinlich war sie nur enttäuscht, dass ihre Mentorin es nicht geschafft hatte, ihre Arbeit zu tun. Oder überrascht, dass sie keine Show abgezogen und vorgegeben hatte, mit Miles’ Geist zu sprechen. War das der Beweis, dass das Medium es wirklich versucht hatte? Dass sie ihm keine Show geboten, sondern ihm stattdessen gesagt hatte, dass sie keinen Kontakt knüpfen konnte?
Frustriert und ohne die leiseste Ahnung, was er jetzt tun sollte, bezahlte Nick und verließ den Laden.
14
Der Lackaffe war schon längst fort, doch ich hatte mich immer noch nicht gerührt. Wie gebannt starrte ich auf die Tür, die er bei seinem Verschwinden hinter sich zugeknallt hatte.
Er war nicht glücklich.
Und mir war schlecht.
Meine Güte, es war schon wieder passiert! Ohne es zu wollen, hatte ich einen Geist beschworen. Die Übelkeit war nicht ganz so schlimm wie gestern bei Hugh, und zu meiner Erleichterung war mir dieses Mal weder schwindlig, noch fühlte ich mich furchtbar schwach. Aber ich hatte es getan! Meine Gedanken waren so auf diesen Miles fixiert gewesen und auf die Frage, was ihm wohl passiert sein mochte, dass ich ihn unbewusst hierher gelockt hatte. Allerdings hatte meine Konzentration nicht ausgereicht, um ihn zu halten. Was ich einerseits unendlich schade fand, denn so blieb das Rätsel seines Todes ungelöst. Gleichzeitig war ich aber auch ziemlich dankbar. Abgesehen davon, dass ich vermutlich wieder aus den Latschen gekippt wäre und mich für den Rest des Tages wie ein alter Putzlappen gefühlt hätte, hätte ich Madame erklären müssen, was da passiert war. Oder mir eine verdammt gute Lüge einfallen lassen müssen. Von allen Dingen, die hätten schiefgehen können, war ich mit meiner halben Beschwörung also noch ganz gut weggekommen.
Während Madame die Stoffbahnen zurückzog und das Sonnenlicht einließ, machte ich mich daran, die Kerzen auszublasen und schon mal alles für den nächsten Termin vorzubereiten. Wahrsagen mit Tarotkarten. Wie ferngesteuert legte ich den Stapel Karten auf den Tisch und bereitete frische Räucherstäbchen vor, während Madame frischen Kaffee aufsetzte.
Ich hatte noch immer daran zu kauen, dass ich meine Kräfte– oder wie auch immer man das Talent, blau schimmernde Tote zu rufen, nennen mochte– so offensichtlich nicht unter Kontrolle
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