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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hatte. In Gedanken ging ich die Séance wieder und wieder durch, in der Hoffnung, mich daran zu erinnern, wann und wie es passiert war.
    Alles war wie immer gewesen. Madame hatte ihren üblichen Budenzauber abgezogen. Jene Show, von der sie behauptete, dass die Leute sie von ihr erwarteten. Der Lackaffe mochte ihr eine Menge Kohle geboten haben, damit er den echten Geist zu sehen bekam, doch mir war sofort klar gewesen, dass Madame sich nicht darauf einlassen würde. Einem Zeitungsschmierfinken würden wir ganz bestimmt keine Schlagzeilen liefern!
    Andererseits hätten wir vielleicht einen Mord aufklären können. War es deshalb passiert? Weil ich helfen wollte?
    Der Lackaffe schien jedenfalls nichts bemerkt zu haben. Madame hingegen hatte den Geist gesehen, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Sie hatte ihm direkt ins Gesicht geschaut, hatte gesehen, wie er die Lippen bewegte, in dem verzweifelten Versuch, ihr etwas zu sagen. Trotzdem hatte sie nichts unternommen, damit er sich verständlich machen konnte. Ich kannte die Gesten, die aussahen, als würde sie eine Fliege verscheuchen, und hatte gesehen, wie sie die Lippen lautlos bewegte. Sie hatte ihn fortgeschickt!
    Zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich schon einmal Zeuge geworden war, wie Madame einen echten Geist gerufen hatte, oder ob sie– wie sie behauptete– nur so tat, weil die Leute ohnehin nicht bereit für die Wahrheit waren und die ersten echten Geister hier erst seit gestern aufgetaucht waren. Meinetwegen.
    Die Kaffeemaschine nahm ratternd ihren Dienst auf und Madame trat hinter dem Vorhang hervor. Eine Weile betrachtete sie mich schweigend, so lange, bis ich nervös wurde und das Räucherstäbchen, das ich gerade in die Halterung stecken wollte, sinken ließ. » Stimmt etwas nicht, Madame? «
    » Hast du während der Séance etwas gemacht? «
    Oh. Oh. Ich zwang mich, überrascht dreinzuschauen. » Ich habe nur den Knopf für den Lufthauch gedrückt. « Ein paar versteckte Düsen an der Wand, aus denen der Hauch der Toten durch den Raum strich. Wenn ich zu sehr auf Madames Frage einging, lief ich vielleicht Gefahr, mich zu verquatschen. Das Telefonat, das ich heute Morgen angehört hatte, hing mir noch immer im Ohr, und auch mein Unbehagen war immer noch da. » Es war zu früh für die Düsen, oder? Ich hätte erst drücken dürfen, wenn Sie Kontakt haben. «
    Madame schwieg, als würde sie nachdenken, dann schüttelte sie den Kopf. » Du warst nicht zu früh dran. Du konntest ja nicht ahnen, dass ich abbrechen würde. «
    » Aber warum? Warum haben Sie die Show nicht durchgezogen? Dieser Lackaffe war bereit, das Doppelte zu zahlen! «
    » Und was hätte ich ihm deiner Meinung nach erzählen sollen? « Sie nahm das ausgedruckte Foto des Toten vom Tisch, das er zurückgelassen hatte, und warf es in den Mülleimer. » Er hätte diesen Mann nach seinem Tod und nach dem Mörder gefragt. Ich kann ihm doch nicht einfach irgendeine erfundene Geschichte auftischen, die dann morgen in diesem Schmierblatt steht, für das er arbeitet. «
    Das klang überzeugend. Natürlich hätte sie eine Geschichte auftischen können, dass sich der Tote an nichts erinnerte. Das war allerdings weit weniger glaubhaft, als einfach keinen Kontakt herstellen zu können. » Sie hätten den echten Geist rufen und ihn nach seinem Mörder fragen können. «
    » Das habe ich tatsächlich versucht. « Müde ließ sie die Schultern hängen. » Ich wollte ihn rufen, wollte fragen, was passiert war, aber ich konnte ihn nicht erreichen. «
    Fast war ich bereit gewesen, ihr zu glauben. Um ein Haar hätte ich die Geschichte geschluckt. Ihre letzten Worte allerdings ließen mein Misstrauen schlagartig zurückkehren. Madame hatte den Geist gesehen und ihn bewusst gebannt, daran bestand für mich kein Zweifel. Warum belog sie mich? Was auch immer ihre Gründe sein mochten, ich war froh, dass ich ihr nichts von Hugh erzählt hatte. Ich hatte ihr vertraut und wäre nicht auf den Gedanken gekommen, an ihren Absichten zu zweifeln. Inzwischen war ich mir da nicht mehr so sicher.
    Vielleicht war mein Misstrauen ja übertrieben. Was war schon passiert? Ein Telefonat, das alles bedeuten konnte und nichts mit mir zu tun haben musste, und Madames Behauptung, den Geist nicht erreicht, ihn nicht einmal gesehen zu haben. Vielleicht hatte sie ihn ja schützen wollen. Aber wovor?

15
    Noch immer enttäuscht blickte der Oberste Bewahrer auf den Jungen hinab, der vor ihm auf dem Steinboden kniete. Das Haar hing

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