Daemonenherz
erwartet.
Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen, als ich mit zwei Cherubim im Lift stand. Es war ein Warenlift, in einem gewöhnlichen Personenlift hätte nicht einmal ein Cherub mit den riesigen Flügeln Platz gefunden.
Im 32sten Stock stiegen wir aus und folgten einem langen Gang, an dessen Ende eine massive Tür aus dunklem Holz wartete. Darauf eingraviert waren seltsame Symbole und Figuren, die ich nicht erkannte. Einer der Cherub stieß die Tür auf. Kaum betrat ich den Raum, verstummten alle Anwesenden augenblicklich und starrten mich an.
Der Raum war riesig. Ein blauer, etwas verblichener Teppich fühlte sich kratzig an unter meinen blanken Füssen. Wie in einem Amphitheater führte eine Treppe von der Tür hinunter zu einem Podest mit Mikrophon. Rund herum standen Ränge aus dunklem Holz, bis auf den letzten Platz gefüllt mit Zuschauern. Vor dem Podest, das ganz offenbar für mich reserviert war, standen links und rechts davor zwei weitere Ränge. In einem saßen Belial, Lilith, Akephalos und Azazel. Ich atmete erleichtert auf. Ihre Anwesenheit beruhigte mich. Gegenüber auf den anderen Rängen saßen die vier Erzengel und hinter ihnen saß Raciel.
Ich fühlte eine unglaubliche Leere in mir aufsteigen. Sein Blick ruhte auf mir und es schien ihm schlecht zu gehen. Er war bleich und in seinem Blick lag die Antwort auf meine Frage, was mein Schicksal sein würde. Sie alle hier wussten, dass meine komplette Auslöschung kurz bevor stand. Wie ich gehört hatte war ich das bisher erste und einzige Geschöpf, dem diese Strafe auferlegt werden würde.
Ich lächelte ihn aufmunternd an. Ich hatte ihm viel angetan, viele Schwierigkeiten bereitet und es tat mir aufrichtig Leid. Ich hoffte darauf, wenigstens noch ein paar Worte mit ihm wechseln zu können, ehe mich meine Strafe erwartete.
Mein Blick schweifte zum Gericht, gleich gegenüber meinem Podest. Metatron saß dort. Hoch oben auf dem erhöhten Platz des Richters. Gleich neben ihm Lucifel.
Ich zitterte. Sie zwei würden über mich richten? Lucifel würde die Strafe festlegen? Mir wurde nun komplett übel und ich würgte.
Ich war nicht einmal mehr wütend auf ihn. Seinen Verrat. Das ich nun hier an seiner Stelle stand war Teil seines Plans gewesen. Aber ich hatte mitgespielt.
Er und ich – wir hatten dazugelernt. Es war nicht seine Schuld, dass ich hier stand. Es waren meine Entscheidungen gewesen, die mich hierher geführt hatten.
Meine allein.
«Bringt die Angeklagte», donnerte die Stimme eines Mannes.
Er stand vor den beiden Richtern auf dem Teppich, aber ich kannte ihn nicht. Es war ein Engel, das konnte ich an seinen weißen Flügeln erkennen. Ich zog es vor, zu gehorchen und ließ mich von den Cherubim bis hinunter zum Podest geleiten. Die Ketten klirrten bei jedem Schritt und hallten in der Stille des Raumes wider. Nicht einmal ein Raunen ging durch die Zuschauer – allesamt Engel oder Dämonen der höheren Ränge. Ich wagte nicht, mich umzusehen. Beschämt wandte ich meinen Blick ab von den Erzengeln, deren mitleidige Blicke sich regelrecht in meine Haut brannten. Die Vorwürfe über das, was ich angerichtet hatte, fraßen sich fast schmerzhaft in meine Knochen. Es war der beschämendste Augenblick meines Lebens. Am liebsten hätte ich geweint und um Gnade und Vergebung gefleht. Mich auf die Knie geworfen. Aber ich tat es nicht. Ich wusste, warum ich hier war und was ich getan hatte. Ich wusste, dass niemand mich hier rausholen würde.
«Irial.»
Metatrons Stimme in meinem Kopf trieb mir Tränen der Scham in die Augen. Wie konnte er noch so liebevoll mit mir sprechen? Wie konnte er sich mit diesem väterlichen Ton an mich wenden?
Ich hatte so ziemlich jeden hier in diesem Raum zutiefst enttäuscht und verletzt.
«Irial, sieh mich an.»
Ich wollte nicht aufsehen, aber hier hatte ich keine Entscheidungsfreiheit.
Ich hob mein Gesicht und ließ die Kapuze nach hinten fallen.
«Du weißt, warum du hier bist?»
Ich nickte.
«Du hast die Apokalyptischen Reiter gerufen. Sag uns, warum du das getan hast.»
Mein Hirn schrie sofort: Weil Lucifel gesagt hat, ich könnte damit wieder mit Raciel vereint werden!
Ich sprach es nicht aus.
Was würde das bringen?
«Ich …» begann ich stockend. «Ich war wütend.» Ich wandte meinen Blick zu Boden. «Wütend auf Gott, auf die Menschen. Auf alles. Ich dachte, mit der Apokalypse könnte ich jemanden dazu zwingen, sich um mich zu kümmern. Alles wieder auf Anfang setzen. Ich…» Meine
Weitere Kostenlose Bücher