Daemonenherz
Sie stand wenige Meter von mir entfernt und ging vorsichtig einen Schritt auf mich zu. «Das ist nicht wahr. Die Apokalypse ist nur für die Menschen bestimmt. Es gibt kein Neuanfang für Engel und Dämonen. Wir sind ewig!»
Ich nahm ihre Worte kaum war. Ich glaubte, sie nicht zu hören und trotzdem brannte sich das Wissen in mein Gehirn.
Wie eine zähflüssige Masse kroch die Erkenntnis hoch und schlug wie eine Bombe in meinem Unterbewusstsein ein.
Lucifel hatte mich angelogen.
Er hatte mich benutzt.
Noch ehe ich den Gedanken zu Ende denken konnte, passierte alles sehr schnell.
Raciel schrie meinen Namen. Schmerz durchfuhr meinen Körper. Jemand hielt meine Schulter von Hinten fest umklammert. Ich erkannte Lucifels Drachenhand.
Mein Sichtfeld verschwamm. Alle Energie wurde aus mir heraus gerissen.
Ich sah Raphael und Michael, wie sie Raciel festhielten. Er schrie. Er kämpfte, wollte sich losreißen.
Ich sah nach unten.
Die Höllenklinge ragte aus meinem Körper. Blut tropfte von der Spitze auf den Boden.
Ich spürte nichts. Nur das langsamer werdende Pochen meines Herzschlages, das in meinen Ohren dröhnte.
Ich erkannte Lilith, die weinend in die Knie gebrochen war.
Meine Gedanken vernebelten und ich sprach meine letzten Worte als gefallener Engel.
Das klingt nicht gut
Nachdem Lucifel mich getötet hatte, erwachte ich einige Augenblicke später auf dem harten Boden der Realität. Ich war klein.
Ich war rund.
Ich war schleimig.
Ein Prachtexemplar eines Höllenwurms, wie man mir später berichtete. Ich fühlte mich nicht wirklich so. Meine Sinne waren wie immer. Ich konnte klar denken und handeln. Nur das mit dem Kriechen und der unförmigen Gestalt hatte ich nicht sofort raus (es dauerte ein geschlagenes Jahr, bis ich mich kriechend fortbewegte und nicht seitlich herum rollte…).
Jedenfalls war ich ein Höllenwurm. Die niedrigste Kreatur der Hölle. Lucifel hatte mich getötet.
Nun saß ich da. Mir war langweilig. Sterbenslangweilig. Ich hatte Zeit um nachzudenken. Leider kam ich noch immer auf keinen grünen Zweig. Was ich allerdings wusste war, dass Lucifel vermutlich ziemlich sauer auf mich war.
Ich hatte die Reiter zurückgepfiffen. Ich hatte sie gerufen, ich konnte sie zurück in ihren schlafenden Zustand schicken. Wenigstens die Vernichtung der Menschheit hatte ich aufhalten können, worauf ich doch ziemlich stolz war.
Aber ich hatte keinen Schimmer, wie lange ich so auf dem Höllenboden herumkroch. Mit jedem Tag hoffte ich inständiger auf ein Wunder, das aber nie eintraf. Langsam aber sicher kam die Erkenntnis, dass vermutlich auch nie ein Wunder geschehen würde.
Einen Sinn in dem Ganzen sah ich immer noch nicht. Nach einer halben Ewigkeit fand mich Belial.
«Du siehst Scheiße aus», konstatierte sie, als sie mich vom felsigen Boden aufhob. «Aber gut, bringen wir dich zu ihm.»
Es war seltsam, nach Ygdrasil zurückzukehren. Wie ich aus dem Weg, den wir einschlugen erkennen konnte, musste ich irgendwo tief in den Felsen des Berges gehaust haben. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir die Plattform des Pfeilers erreichten und schließlich die U-Bahn nach Tartaros bestiegen. Der Geruch kam mir nun wieder vertraut vor und brachte all die Erinnerungen mit sich.
Als würde ich nach Hause zurückkehren. Ich spürte ein Kribbeln im Bauch. Vorfreude. Glück. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so empfunden hatte, aber es war verdammt lange her. Ich würde sie alle wieder sehen. Lilith, Aza, Akephalos. Schon als Belial vor mir auftauchte hätte ich Luftsprünge gemacht, wäre das mit meiner physischen Erscheinung möglich gewesen. Ich freute mich ehrlich, sie zu sehen. Lucifel zu sehen fand ich nicht so lustig, aber die Begegnung der dritten Art stand mir kurz bevor.
Belials Schritte hallten auf dem glattpolierten Boden wider, als sie mich zu Lucifels Saal trug. Als wir ihn betraten, konnte ich die ganze versammelte Clique erkennen. Liliths Augen strahlten, als sie mich erblickte, Akephalos verkniff sich gerade den größten Lachanfall seines Lebens und presste die Lippen fest aufeinander, während er seine Mundwinkel nach oben zog und mich angrinste. Azazels Blick ruhte ruhig auf mir und er nickte, während er mit verschränkten Armen an einer der Säulen lehnte.
Ich spürte warme Hände auf meinem kugeligen, schleimigen Körper. Jemand anderes hob mich zu sich und drehte mich um. Ich starrte direkt in Lucifels stechende Augen. Ich zuckte innerlich
Weitere Kostenlose Bücher