Daemonenhunger
Bewusstlosen in die Betten legten, holte Vincent rasch ein paar Knabbereien aus der Küche und ging wieder in die Kapelle hinunter.
Anschließend unterhielten sie sich, aßen Chips und tranken Cola Light. Wie Vincent erfuhr, waren Clara und Nod Feen. Sie hatten sich, genau wie die Elfen, seit kurzem in der Nachbarschaft niedergelassen. Außerdem erzählten die beiden ihm, dass sie bei weitem nicht die einzigen Geschöpfe dieser Art in der Stadt waren.
»Hier ist ein echtes Phantastorado«, sagte Nod. »Täglich kommen neue Wesen dazu.«
»Und wieso?«, erkundigte sich Vincent und nahm einen Riesenschluck Cola. Er und Max durften nur bei besonderen Anlässen Limonade trinken, etwa wenn Gäste kamen. Die Feen waren schließlich auch Gäste, oder?
»Weißt du das denn nicht?«, fragte Nod.
»Natürlich nicht«, sagte Clara. »Er kann uns doch erst seit heute sehen. Ich bin mir allerdings sicher, dass er über die Portale Bescheid weiß.«
»Worüber?« Vincent hätte nicht erstaunter sein kön nen, während er sich die Chips nur so in den Mund schob. Die Knabbereien waren ebenfalls ausschließlich für Besucher gedacht, aber Vincent hatte schließlich nicht zu Abend gegessen.
»Na, die Portale eben«, sagte Clara.
»Noch nie davon gehört.«
Clara sperrte vor Entsetzen den Mund weit auf und starrte ihn an. Nod seufzte und schüttelte fassungslos den Kopf.
»Dann weißt du es also wirklich nicht?«, wiederholte die kleine Fee ungläubig.
»Nein«, erwiderte Vincent. »Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet. Vielleicht klärt ihr mich mal auf, statt die ganze Zeit bloß die Augen aufzureißen.«
Die beiden Feen tauschten einen zweifelnden Blick.
»Sollen wir ihn einweihen?«, fragte Clara. »Wenn er bis jetzt noch nichts davon mitbekommen hat …«
»Niemand weiß Bescheid«, gab Nod zurück. »Ich ha be dir doch schon gesagt, dieses Mal ist irgendetwas komplett schiefgelaufen. Kein einziger Mensch hat Wind von der Sache bekommen.«
»Aber sie müssen es unbedingt erfahren«, sagte Clara. »Es ist allerhöchste Zeit.«
»Hast du etwa schon jemanden gesehen, der sich darauf vorbereitet?«, fragte Nod. »Oder etwas von einem Massenexodus zu den Portalen bemerkt? Niemand ahnt etwas. Es ist genau wie damals, zu unserer Zeit.«
»Könnte einer von euch mir jetzt bitte mal erklären, worüber ihr da redet?«, fragte Vincent aufbrausend und vergaß vor lauter Aufregung, dass sie sich ruhig verhal ten mussten.
»Vincent«, sagte Nod, »wir haben dir etwas Wichtiges mitzuteilen. Wichtiger als alles, was du je zuvor gehört hast.«
»Ich habe schon eine Menge gehört«, versicherte der Junge lässig, obwohl er vor Anspannung fast umkam.
»So etwas bestimmt noch nicht«, sagte Nod. »Pass auf, Kleiner, die Welt steht kurz vor dem Untergang.«
Vincent blinzelte. Als sein Verstand diese Information verarbeitet hatte, war er mit einem Mal tief enttäuscht. »Ist das alles?«, fragte er.
»Was soll das heißen, ist das alles?«, fragte Nod zu rück und kickte einen Kartoffelchip in Vincents Richtung. »Die Welt steht vor dem Untergang. Binnen kurzem. Findest du das denn nicht beunruhigend?«
»In der Schule mussten wir gerade ein Projekt über dieses Thema präsentieren«, erklärte Vincent. »Außer dem hämmert uns die Glaubensgemeinschaft meiner Eltern seit jeher ein, dass die letzten Tage angebrochen sind. Der Untergang der Welt schockiert mich irgendwie nicht besonders.«
»Wow«, sagte Clara, an ihren Gefährten gewandt. »Und da behauptest du, unser Leben sei deprimierend.«
»Tu ich doch gar nicht«, widersprach Nod. »Nur ab und zu.«
»Und, wie sieht das Ende aus?«, fragte Vincent. »Atomkrieg? Kometenaufprall? Eiszeit? Killerbienen?«
»Schlimmer«, antwortete Nod. »Dämonen.«
»Dämonen?«, erkundigte sich Vincent und spürte alte Ängste aufsteigen. »Es gibt also tatsächlich Dämonen?«
»Wahrscheinlich in anderer Form, als du es dir vorgestellt hast«, erklärte Nod. »Sie benutzen zum Beispiel keine Heugabeln. Die benötigen sie nämlich nicht.«
»Und sie kommen nicht aus der Hölle«, fügte Clara hinzu. »Sie sind ein Teil eines natürlichen Reinigungsprozesses der Erde.«
»Wie bitte?«
»Die Aufgabe der Dämonen besteht darin, die dominante Art zu vernichten, deren Zeit auf der Erde abgelaufen ist. Das ist die einzige Möglichkeit, alles auf die folgende Epoche einer anderen Art vorzubereiten.«
»Du willst bestimmt nicht hier festsitzen, wenn die Dämonen kommen«,
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