Daemonenhunger
versuchen?«
»Nein danke, alles bestens«, versicherte Vincent und nahm sich noch einen Pfannkuchen. Er war fad und wie aus Gummi: Seine Mutter war leider keine besonders gute Köchin.
»Wie schmeckt es dir, mein Lieber?«, erkundigte sie sich nervös.
»Prima, wirklich spitze«, sagte der Junge, schob sich zum Beweis eine weitere Riesenportion in den Mund und hielt den Daumen hoch. Mannomann, dachte er. Das macht mich allmählich total fertig. »Was hat dieser Engel dir denn alles erzählt?«, fragte er schließlich. »Du wirkst irgendwie beunruhigt.«
»Wenn du einem Engel begegnet wärst, würde es dir genauso ergehen«, erwiderte seine Mutter. »Obwohl ich sie mir immer größer vorgestellt hatte.« Sie stand unerwartet auf. »Ich sehe mal nach, ob der Rest der Familie inzwischen wach ist.«
O nein, dachte Vincent, der beinahe vergessen hatte, welcher Ärger ihm bevorstand, wenn sich sein Vater und Max an die nächtlichen Vorfälle erinnerten. Ob Nod den beiden ebenfalls etwas eingeflüstert hatte? Andererseits hatte Max so getan, als sähe er gar nichts. Und sein Vater hatte geglaubt, die beiden Wesen seien Dämonen. Sonderbar, dass seine Mutter Nod für einen Engel gehalten hatte. Möglicherweise sahen alle Menschen einfach das in den Feenwesen, was sie wollten.
Überstürzt verließ Mrs. Drear die Küche und eilte ins Obergeschoss. Man hätte fast meinen können, sie fürchtete sich vor ihrem eigenen Sohn. Vielleicht war das ja auch so. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang Vincent den letzten Pfannkuchen herunter, bevor er schnurstracks zur Eingangstür marschierte und in seine Schuhe schlüpfte. Er hätte sich zwar liebend gern umgezogen, denn seine Kleidung fühlte sich nach der halb durchwachten Nacht irgendwie klamm an, aber im Moment ging es nur darum, dass er seiner Familie möglichst nicht unter die Augen geriet.
Heute war ein normaler Schultag, angesichts des drohenden Weltuntergangs hielt Vincent es jedoch für durchaus vertretbar, den Unterricht zu schwänzen. Wenn er sich beeilte, konnte er Chanteuse noch abfangen, ehe sie das Haus verließ. Er würde ihr alles erzählen, was er in den letzten zwölf Stunden erlebt hatte, und sie gründlichst über Portale, nahende Epochenenden und alles Weitere aufklären.
Just in dem Moment, als Vincent die Klinke der Haustür nach unten drückte, ertönten Schritte auf der Treppe. Kurz darauf tauchte Max hinter ihm auf. Er trug immer noch die Kleider vom Vortag und wirkte vollkommen erschlagen, wie jemand, der zu lange geschlafen hat. Als er seinen kleinen Bruder sah, ging jedoch ein Ruck durch seinen Körper.
»Vincent!«, rief er. »Wo gehst du hin?«
»In die Schule«, erwiderte der Angesprochene und öffnete die Tür. »Ich muss dann jetzt los. Tschüs.«
Er schlug seinem Bruder die Tür vor der Nase zu und rannte die Straße hinunter.
Als Vincent den kleinen Bungalow erreichte, in dem Chanteuse wohnte, saß sie meditierend auf dem Rasenstück davor. Super, dachte er erleichtert, ich habe sie nicht verpasst.
»Keinen Schritt weiter, Kleiner.«
Der Junge wirbelte herum und blickte dann nach unten. Mit dem üblichen dreisten Grinsen stand Grimbowl neben ihm auf dem Bürgersteig.
»Du willst unserer gemeinsamen Freundin doch nicht etwa von den Ereignissen der vergangenen Nacht erzählen?«, erkundigte sich der Elf drohend.
»Genau das habe ich vor«, erklärte Vincent entschlossen und marschierte weiter auf Chanteuses Haus zu.
»Bleib sofort stehen!«, befahl Grimbowl.
Die unmittelbar darauf folgende Kopfschmerzattacke ließ Vincent ohnehin keine andere Wahl.
»Du wirst kein Wort von unserer Unterhaltung ausplaudern. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Wenn Blicke töten könnten, hätte der Elf auf der Stelle leblos zu Boden sinken müssen. Stattdessen lächelte er Vincent jedoch nur auf seine gewohnt hämische Art an.
»Vollkommen klar. Ich wollte sowieso etwas völlig anderes mit ihr besprechen«, sagte der Junge.
»Vergiss es. Du musst dich an die Arbeit machen«, erklärte Grimbowl. »Komm mit.«
Vincent war im Zwiespalt. Er wollte zwar unbedingt mit Chanteuse reden, doch die Quittung für jedweden Ungehorsam kannte er inzwischen nur zu gut. Nach ei nem letzten Blick auf seine tief in ihre Meditation versunkene Freundin machte er kehrt und folgte dem unangenehmen Zeitgenossen.
Kurz darauf hatte Vincent bereits begriffen, dass ihn der Elf direkt zur Schule führte, was ihn ungemein ärger
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