Daemonenhunger
blieb bewegungslos liegen. Heute hatte er schon genug Schmerzen erdulden müssen. Hoffentlich kam es nicht noch schlimmer.
»Was ist denn hier los?«, dröhnte die Stimme von Vincents Vater von der Eingangstür her.
»O nein«, murmelte der Junge schwach.
Es kam leider doch noch schlimmer.
Bei Gottes grünen Weiden, was ist denn hier passiert?«, schimpfte Mr. Drear und sah sich verblüfft in der Kapelle um. Schwaches Kellerlicht fiel auf das Durcheinander, doch er hatte nur Augen für die beiden winzigen geflügelten Wesen.
Er kann sie sehen, sagte sich Vincent.
»Zurück mit euch, ihr Ausgeburten der Hölle!«, brüll te sein Vater, umklammerte das Kreuz an seinem Hals und streckte es vor, bis sich die Kette spannte. »Im Namen des Triumvirats befehle ich euch …«
»Klappe«, gab Nod zurück, flog schnurstracks auf Mr. Drear zu und brachte ihn mit einem tüchtigen Kinnhaken zum Schweigen.
»Hör auf!« Vincent hastete zu den beiden hinüber und fing seinen Vater gerade noch rechtzeitig auf. Es war ein tadelloser K. o. Vorsichtig ließ Vincent den Bewusstlosen zu Boden gleiten und ging dann erbittert auf die fliegende Gestalt los.
»Hör auf, meine Familie zu verprügeln«, sagte er und stieß den Zeigefinger gegen Nods Brust.
»Wenn du mich noch mal berührst«, entgegnete der kleine Kerl gefährlich ruhig, »kannst du den Finger vergessen, Kumpel.«
»Ach, echt?«, sagte Vincent schnippisch und ließ einen kräftigen Faustschlag folgen. Sein Gegner prallte gegen die Wand und trudelte in langsamen Schrauben zu Boden.
»Nod!« Clara nahm Kurs auf den Jungen. »Das wirst du bereuen, dämlicher Mensch.«
Vincent hatte mit dem Angriff gerechnet. Rasch warf er sich zur Seite, und als sie abbremste, um zu wenden, verpasste er ihr einen ordentlichen Hieb auf den Kopf.
»Aua!« Clara packte Vincents Hand und verdrehte sie. Er schlug einen Salto und stürzte auf seinen noch immer reglos daliegenden Bruder. »Dir zeig ich’s«, kündigte das kampflustige Geschöpf im nächsten Moment an, griff nach Vincents Bein und zog ihn hoch. »Gleich bist du so platt wie die Wand hier.«
Sie schwang ihn in hohem Bogen um ihre eigene Ach se, doch als sie losließ, packte ihn jemand am Bein und setz te ihn vorsichtig auf dem Boden ab.
»Nod«, protestierte sie. »Was soll das?«
»Irgendwie mag ich den Kerl«, sagte ihr Begleiter und landete direkt vor Vincent. »Er ist zäh, und er hat Mumm in den Knochen. Respekt. Außerdem kann er uns sehen.« Er blickte zu dem Jungen auf. »Menschen wie du sind heutzutage die Ausnahme, Kleiner. Tut mir leid wegen deiner Familie. Nimm’s mir nicht übel.«
Obwohl Vincent ihm insgeheim so einiges übelnahm, wollte er sein Glück nicht überstrapazieren. Es war sowieso schon dumm genug gewesen, sich überhaupt auf einen Kampf mit diesen Wesen einzulassen. An weiteren übernatürlichen Feinden hatte er keinerlei Bedarf. »Alles okay«, sagte er daher friedlich. »Ich kann verstehen, dass ihr sauer wart, als ich euch Handlanger des Bösen genannt habe.«
»Ja, genau, was sollte das?«, fragte Clara und landete neben Nod.
»Ich musste meinem Bruder doch irgendetwas erzählen«, erklärte Vincent. »Die Wahrheit konnte ich ihm wohl kaum sagen.« Er tippte sich an die Nase. »Daher habe ich auf euch zurückgegriffen. Ich hatte ja keine Ah nung, dass ihr mir bis nach Hause folgen würdet.«
»Sie haben ihm einen Obyon verpasst«, meinte Clara, die sofort begriff, was Sache war. »Das ist kein gutes Zeichen.«
»Von der Elfenseite gibt es nie gute Zeichen«, sagte Nod und drehte sich wieder zu Vincent um. »Du hast wohl eine kleine Auseinandersetzung mit den Brüdern gehabt, stimmt’s? Diese Elfen sind ein ganz übler Verein, das sag ich dir. Nicht so schlimm wie die Zentauren, aber immer noch übel genug. Jetzt verstehe ich natürlich, warum du vor uns davongelaufen bist. Im Augenblick hast du wohl nicht gerade eine Glückssträhne, was?«
»Nein«, stimmte Vincent zu. »Sagt mal, ehe wir wei terreden, würdet ihr mir bitte helfen? Ich möchte unbedingt vermeiden, dass mein Vater und mein Bruder gleich wieder durchdrehen, wenn sie aufwachen. Könnten wir sie vielleicht schnell nach oben bringen und uns anschlie ßend in Ruhe unterhalten?«
Erneut war Vincent von der Kraft der beiden Winzlin ge überrascht. Nod trug Mr. Drear ganz alleine ins Obergeschoss, und Clara flog mit Max davon, als wäre er ein Federgewicht. Während sie die beiden
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