Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
unterschwellig das Herz der Stadt schlagen, als dränge ein fernes Trommeln an seine Ohren.
In der Mitte des Marktplatzes ragte ein hoher Brunnen in Gestalt eines riesigen, in recht unwahrscheinlichen Umrissen gehauenen Marmorfischs empor, der ununterbrochen einen Wasserschwall in ein flaches rundes Steinbecken spie. Ein Menschenauflauf hatte sich um einen kleinen, in Lumpen gehüllten Mann gebildet, der auf dem Beckenrand stand. Er lamentierte mit schriller, aufgeregter Stimme auf die Leute ein.
Nachdem Tarjanians Blick den Schreihals gestreift hatte, schüttelte er den Kopf und schaute Basel an. »Ich dachte, der alte Keela wäre nach Grimmfelden geschickt worden?«
Der Korporal hob die Schultern. »Ihn ein für alle Mal einzukerkern ist unmöglich, Hauptmann. Er ist geistig verwirrt und kein Übeltäter.«
»Längst suchen die Götter das Dämonenkind«, heulte Keela inbrünstig. »Weil Medalon sich von ihnen abgewandt hat, werden die Götter es zerschmettern!«
Bei den Worten des Irren verzog Tarjanian unwillkürlich die Miene. »Wenn er noch lange solchen Unfug verbreitet, wird er sich wünschen, er hätte in Grimmfelden bleiben dürfen.« Als er das Pferd auf den Brunnen zulenkte, teilte sich willig die Menschenmenge; sie erwartete eine Auseinandersetzung. Hoffte darauf.
Keela unterbrach sein Zetern, sobald er Tarjanian gewahrte, und stierte ihm aus dem heilen Auge entgegen. Eine Trübung verschleierte das andere Auge, sodass der Greis verrückter wirkte, als er tatsächlich sein mochte.
»Geh nach Hause, Keela«, empfahl Tarjanian dem Alten. Seine Äußerung erzeugte unter den Umstehenden Enttäuschung. Der Pöbel wollte Handgreiflichkeiten sehen.
»Die Götter suchen das Dämonenkind«, verkündete Keela wieder, dieses Mal in bemerkenswert vernünftigem Ton.
»Auf den Märkten der Grenzkaffe finden sie es gewiss nicht«, versicherte Tarjanian ihm mit Nachdruck. »Geh heim, ehe dich Scherereien ereilen, Alter.«
»Vater! Was tust du da?« Erschrocken drängte sich eine junge Frau in billig-schlichtem Kleid durch die Reihen der Gaffer, anscheinend angelockt durch die Anwesenheit der Hüter in der Nähe ihres Vaters. Betroffen schaute sie den Greis an, dann hastete sie zu Tarjanian und blickte voller Verzweiflung zu ihm auf. »Ich flehe Euch an, Herr Hauptmann, sperrt ihn nicht ein! Ihr wisst, er ist nicht richtig im Kopf.«
»Ich habe keine Absicht, ihn festzunehmen, Daana«, beruhigte Tarjanian die junge Frau. »Doch ich rate dir, bring ihn nach Hause, bevor jemand anderes an seinen öffentlichen Lästerungen Anstoß nimmt.«
»Genau so soll's geschehen, Herr Hauptmann«, versprach Daana. »Habt Dank.«
Daana sprang zu ihrem Vater und nötigte ihn vom Brunnenrand herab. Während sie ihn, ohne dass er sich wehrte, an Tarjanian vorbeiführte, äugte der Alte zu ihm herauf und grinste hintersinnig.
»Das Dämonenkind hat schon an Euch gerührt, Hauptmann«, behauptete Keela, indem er irr auflachte. »Ich seh's an Eurer Aura.«
Tarjanian schüttelte nur den Kopf über den Greis. »Ich richte dem Dämonensprössling, wenn er mir begegnet, deine Grüße aus.«
»Spottet seiner, so viel Euch beliebt«, höhnte Keela heiter. »Die Ankunft des Dämonenkinds steht bevor.«
Es gelang Daana, ihren Vater ohne Zwischenfälle fortzuziehen, während sich die enttäuschte Zuschauermenge zerstreute. Tarjanian wendete das Ross in die
Richtung der Hüter-Bastei an der anderen Seite des Marktplatzes.
Die Hüter-Bastei bestand aus einem großen, aus roten Ziegeln aufgetürmten Gebäude. Ein geräumiger Torbogen gewährte Zugang in den zentral gelegenen Innenhof. Als Tarjanians Streif schar in den Hof ritt, machte sich eine andere Schar soeben fertig zum Aufbruch. Ihr Hauptmann, Nikal Janeson, winkte den Heimkehrern zu. Er beendete sein Gespräch mit dem Zahlmeister und kam zu Tarjanian, gerade als dieser sein Pferd zügelte. Lässig hob der Zahlmeister die Hand zum Gruß, bevor er ins Gebäude entschwand. Dass er der Bruder des Obersten Reichshüters war, konnte man kaum glauben. Verkin zeigte sich ihm gegenüber duldsam; er zog es vor, dass Dayan Jenga die örtlichen Händler zugunsten der Hüter hinterging, statt ihn die Hüter zum Vorteil der Händler betrügen zu sehen.
»Lasst mich raten«, sagte Nikal Janeson, sobald er all die Verbände und Schlingen erblickte, mit denen Tarjanians Männer ihre Verletzungen versorgt hatten. »Das Jelanna-Fest?« Janeson war es gewesen, der Tarjanian, als er vor vier
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