Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
verschleppt worden, ließ es sich als höchst wahrscheinlich erachten, dass man mit ihr diesen Eingang benutzt hatte. Möglicherweise hatte man sich dann schlichtweg die Mühe gespart, sie an eine ferner als der Kerker gelegene Stätte zu verbringen.
»Schau du in den Zellen zur Linken nach«, sagte Damin. »Ich suche die rechte Seite ab.«
R’shiel nickte und huschte zur ersten Zelle, die sich als leer erwies. Im zweiten Kerkerloch schlief ein nur mit einem zerfledderten Hemd bekleideter Mann. Auch in der dritten Zelle sah sie jemanden im Schlaf liegen, doch ob Frau oder Mann, das konnte sie aufgrund der Unmenge an Lumpen, in die der Häftling sich auf dem nassen Fußboden gewickelt hatte, nicht unterscheiden. »Adrina!«
Bei Damins Ausruf fuhr R’shiel zusammen. Sie spähte beunruhigt hinüber zu den Wachen und überzeugte sich davon, dass sie nichts gehört hatten. Dann eilte sie zu Damin.
Adrina kauerte auf dem Boden der vierten Zelle rechterhand, hatte die Beine an den Leib gezogen und schaukelte in der klammen Kälte vor und zurück, während ihr stumme Tränen übers Gesicht strömten. Am Kinn hatte sie einen hässlichen Bluterguss, die Lippe war geschwollen und aufgeplatzt. Schlick hatte das zudem zerrissene Seidenkleid beschmutzt, ihr Haar war zerzaust. Allerdings wirkten die Verletzungen, als wären sie lediglich oberflächlicher Natur, und die Tränen vergoss sie vermutlich nicht aufgrund des eigenen Schicksals, sondern um Tamylan. Adrina zählte nicht zu den Menschen, die zu Selbstmitleid neigten. Dennoch hatte R’shiel nie zuvor einen so jämmerlich gebeugten Menschen gesehen.
»Adrina«, rief Damin ein zweites Mal, packte erregt die Gitterstäbe der Zelle.
»Sie kann dich nicht hören, Damin.«
»Wo werden die Schlüssel sein?«
»Ich vermute, die Wächter haben sie in Verwahrung.«
»So verschaffe ich sie uns«, kündete Damin an und griff schon nach dem Schwert.
»Nein, du wartest hier an diesem Fleck. Darum kümmere ich mich.«
R’shiel begab sich ans hintere Ende des Kerkergangs und beobachtete für ein Weilchen die Wächter, die ein ums andere Mal zwei roh geschnitzte Würfel rollen ließen. Den drei Kerkerknechten fehlten sichtlich der Kampfgeist und die Kühnheit erfahrener Kriegsleute. Der Mann, der nah an der Mauer saß, trug am Gürtel einen Schlüsselbund. R’shiel verzog missmutig die Miene. Sehen konnten die Kerle sie nicht, aber es könnte ihnen schwerlich entgehen, wenn die Schlüssel durch die Luft schwebten.
Es widerstrebte R’shiel, die Wachen zu töten. Dadurch würde Cyrus auf den Anschlag aufmerksam werden. Es gab jedoch eine gewisse Aussicht, dass der Kriegsherr des Dregischen Gaus es für durchaus nicht erforderlich hielt, sich mit Adrina zu befassen, bevor er Damin als zum Angriff bereit erachtete. Mit ein wenig Glück blieb Adrinas Flucht während des restlichen Tages unentdeckt, falls die Wächter für die Häftlinge wenig Beachtung übrig hatten, vielleicht noch länger. Doch gleich wie R’shiel nun handeln wollte, auf die Sichtschutz-Magie musste sie verzichten. Gewaltige Magie-Kräfte mochten ihr zu Gebote stehen, gewiss, aber sie war im Umgang damit nicht kunstfertig genug, um zwei magische Werke gleichzeitig zu verrichten.
»R’shiel! So unternimm doch schleunigst irgendetwas!«
Sie missachtete Damins ungeduldiges Drängen und stellte sich in den Schatten. Mit unendlicher Sorgfalt beendete sie die Sichtschutz-Magie, die sie unsichtbar machte, und richtete ihren Willen sofort auf die drei mit Würfelspielen beschäftigten Kerkerknechte, um sie zum Einschlafen zu nötigen. So schnell sank das Dreigespann zusammen, dass sie zunächst befürchtete, sie doch getötet zu haben.
Weil sie nicht wusste, wie lange die Wachen besinnungslos blieben, entfernte sie unverzüglich den Schlüsselbund vom Gürtel des ins Schnarchen verfallenen Schließers. Dann hastete sie zurück zu Damin und erprobte Schlüssel um Schlüssel am Schloss zu Adrinas Zelle.
Sobald sie das Klirren hörte, hob Adrina den Kopf und konnte nun R’shiel und Damin sehen. Allerdings brauchte sie eine ganze Weile, um zu begreifen, wer da leibhaftig vor der Zellentür stand.
»Damin?«
»Adrina«, rief er sorgenvoll zum dritten Mal, wandte sich danach erneut an R’shiel. »Alle Wetter, so spute dich doch!«
»Ich spute mich«, schnauzte R’shiel, gerade als der vierte Schlüssel das Schloss entriegelte. Kaum war es aufgesprungen, schob sich Damin rüde an ihr vorüber in die Zelle. Mit
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