Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
Nacht vor der angekündigten Hinrichtung schlief Tarjanian Tenragan erstaunlich gut. Vielleicht weil er zum ersten Mal seit Wochen wieder sauber war – oder weil sein Schicksal so unabwendbar zu sein schien, dass er es aufgegeben hatte, sich weiter mit Grübeleien zu martern.
Gleich was die Ursache sein mochte, als er in der Morgendämmerung aufwachte, fühlte er sich bemerkenswert frisch und bei weitem zu gesund und munter, um einen Gedanken daran zu vergeuden, dass ihn in wenigen Stunden der Tod ereilt haben sollte. Während der kleine Ausschnitt des Himmels, den er durch das einzige Fenster der Zelle sehen konnte, sich von Rosa zu Blau verfärbte, kleidete er sich in den Hüter-Waffenrock, den Ritter Andony ihm bereitgelegt hatte, und setzte sich hin, um des Kommenden zu harren. Unterdessen empfand er nichts als heiter-gelassene Schicksalsergebenheit.
Dieser Zustand dauerte nicht lang. Im Flur ertönten Stimmen, der Lärm eines Gefechts schloss sich an, dann riss jemand die Zellentür auf; der Jüngling, der sie öffnete, trug die Abzeichen eines Hauptmanns am Waffenrock, keuchte angestrengt und grinste von Ohr zu Ohr.
»Hauptmann Tenragan, Obrist Warner entsendet Euch seinen Gruß und lässt fragen, ob Ihr statt an Euer Hinrichtung wohl lieber an einem redlichen Kampf teilnehmen möchtet? Und auch von R’shiel soll ich Euch einen Gruß ausrichten.«
Tarjanian starrte den jungen Hauptmann an. In seiner derzeitigen Gemütsverfassung konnte ihn wahrlich nichts mehr überraschen. Schon seit einer ganzen Weile staunte er nicht mehr über seine Begabung, dem Tod zu entrinnen; ungefähr seit der Zeit, als er – vor über einem Jahr – in einer anderen Zelle eben dieses Karzers als Zerschundener eingeschlafen und als gänzlich Geheilter erwacht war.
Und über R’shiels Eigenschaft, just dann aufzukreuzen, wenn man sie am wenigsten erwartete, wunderte er sich seit langem nicht mehr. Er war von ihr beinahe so oft aus Misslichkeiten gerettet worden, wie sie ihn in Scherereien gebracht hatte. Dennoch erleichterte es ihn, dass nicht sie es war, die ihn aus der Zelle befreite. Er hatte die Bereitschaft gehabt, dem Tod ins Gesicht zu sehen; aber ihn bewegten Zweifel, ob er schon bereit war zu einem Wiedersehen mit R’shiel.
»Besorgt mir ein Schwert, Kamerad!«
Der Hauptmann lachte und warf Tarjanian die eigene Waffe zu. Offenbar fühlte er sich über alle Maßen glücklich. Tarjanian fing das Schwert auf und folgte ihm in den Gang.
Ritter Andony und seine Untergebenen standen mit dem Gesicht zur Wand aufgereiht und wurden gerade von zwei Dutzend Hütern mit sachkundigen Griffen entwaffnet. Der junge karische Ordensritter wirkte völlig fassungslos. Sobald er Tarjanian die Zelle verlassen sah, wollte er sich umwenden, aber der Hüter-Krieger, der hinter ihm stand, stieß ihn zurück an seinen Platz.
»Was bildet Ihr Euch eigentlich ein«, brummelte Ritter Andony über die Schulter, »wie weit Ihr kommt?«
»Wohl weit genug«, antwortete Tarjanan mit breitem Grinsen, denn ihn erfasste die Hochstimmung seiner Kameraden. Jeder war sichtlich frohen Herzens. Diese Männer hatten nie gelernt, sich mit einer Niederlage abzufinden, und die vergangenen Wochen, seit in Medalon die Karier die Oberhoheit ausübten, hatten an ihrem Gemüt genagt wie Säure; und jetzt, da sie endlich dagegen aufbegehrten, konnte kein einziger der in den Karzer eingedrungenen Hüter-Krieger seine Freude verbergen.
»Was soll mit den Gefangenen geschehen, Hauptmann …?«
»Bis auf Weiteres sperren wir sie in die Zellen«, gab der Jüngling zur Antwort. »Mein Name lautet Symin. Wahrscheinlich entsinnt Ihr Euch nicht an mich, ich war Fähnrich, als Ihr …«
»Als ich fahnenflüchtig geworden bin? Schon gut, Symin, Ihr dürft es getrost aussprechen.«
»Ich wollte nicht, dass es klingt, als ob … Sicherlich versteht Ihr, was ich meine …«
Das Unbehagen des jungen Kriegers rang Tarjanian ein Schmunzeln ab. »O ja, ich verstehe es.«
»Ihr kommen nicht durch«, beharrte Ritter Andony in gebrochenem Medalonisch. Tarjanian heftete den Blick auf ihn und schüttelte den Kopf.
»Ritter Andony, warum bewahrt Ihr nicht schlichtweg Schweigen«, sagte er auf Karisch, »ehe ich Euch zum Schweigen bringe?«
»Tötet mich, wenn es Euch danach verlangt«, entgegnete Andony wütend in seiner Muttersprache, wohl weil er seinen Gefühlen auf Medalonisch keinen Ausdruck zu verleihen verstand. »Ich finde im Himmlischen Hause des Allerhöchsten
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