Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
Joulen, er beißt.« R’shiel richtete sich auf und nickte zufrieden. »Kannst du ihn mir von deinen Gesellen in den Großen Saal schaffen lassen? Er soll in der Nähe des Seher-Steins aufgestellt werden.«
»Gern, wenn es dein Wunsch ist.«
»Es ist mein Wunsch. Hab Dank.«
Als R’shiel die Waffenschmiede verließ, war es später Nachmittag geworden, doch sie hatte die Gewissheit, alles geleistet zu haben, was gegenwärtig getan werden konnte. Nun musste Xaphista ihr nur noch in die Falle gehen.
58
Aus dem Amphitheater wehten allerlei Töne durch die Abendluft, während die Musikanten ihre Klangwerkzeuge stimmten. Friedvoll-sanft glomm die Zitadelle unter einem wolkenlosen, samtblauen Himmel. Von einem Wehrgang aus schaute R’shiel über das karische Heerlager, sah die überall verstreuten Feuer, die in der Dunkelheit an Spritzer heißen Blutes erinnerten. Die Lagerfeuer brannten so weit ihr Auge reichte.
R’shiel hatte beim Planen alles beachtet, was ihr in den Sinn gekommen war, jede Möglichkeit berücksichtigt. Nun blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als sich ins Warten zu fügen.
»Seit wir die Priester haben gehen lassen, ist es dort unten ziemlich ruhig.«
R’shiel heftete den Blick auf Tarjanian, dem deutliches Unbehagen anzumerken war. Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr waren sie allein. Sie war mit ihm auf die Stadtmauer gestiegen, um ungestört mit ihm reden zu können. In seinem Kabinett hätte sich dazu niemals die Gelegenheit ergeben.
Doch sie verspürte das Bedürfnis, sich mit ihm auszusprechen, und wenn es nur zum Wohl ihres Seelenfriedens geschah.
»Wahrscheinlich ersinnt man Pläne, um unseren Untergang zu erwirken«, antwortete sie und versuchte einen unbekümmerten Tonfall anzuschlagen.
»Das ist, würde ich sagen, mit Gewissheit anzunehmen.«
Sie musterte ihn, aber er starrte störrisch hinaus in die Ebene. Selbst von der Seite sah man seiner Miene die Verschlossenheit an. »Tarja …«
»Ja?«
»Es tut mir Leid.«
Endlich drehte er den Kopf und schaute ihr ins Gesicht. »Was tut dir Leid?«
»Was Kalianah dir angetan hat. Alles das, meine ich eigentlich, was damit zusammenhängt.«
Tarjanian zuckte mit den Schultern. Offenbar behagte ihm weder der Gesprächsstoff noch das geäußerte Bedauern. »R’shiel, es ist wirklich überflüssig, dass …«
»Nein, es ist erforderlich, Tarja. Und wenn, dann schon aus dem Grund, um ein wenig meine Schuldgefühle zu lindern.«
»Verhält es sich so, dann sei dir verziehen«, sagte er und lächelte knapp, um sie von der Aufrichtigkeit seiner Antwort zu überzeugen.
Noch zehntausend andere Sachen gab es, die R’shiel gern gesagt hätte, doch anscheinend befriedigte es Tarjanian, die heikle Angelegenheit so mühelos beigelegt zu sehen. Er beschränkte sich von neuem darauf, stumm die Ebene zu beobachten. R’shiel seufzte und entschied sich dafür, es dabei zu belassen. Es konnte nichts fruchten, alte Wunden aufzureißen. Offenkundig hatte Tarjanian große innerliche Anstrengungen unternommen, um mit der Vergangenheit abzuschließen.
R’shiels Gedanken wandten sich dem bevorstehenden Kampf zu. Sie versuchte abzuschätzen, wie lange sie noch warten musste. Heute war der Abend des fünften Wochentags. Morgen war Ruhetag, in der Morgenfrühe füllten auf dem Lande die Karier ihre Dorfkirchen, in den Städten die Xaphista-Tempel. Auch die Kriegsleute vor der Zitadelle kehrten ihr dann den Rücken, um den Priestern Gehör zu schenken. Das war die Stunde des Handelns: wenn jede karische Stimme ihren Gott pries.
In dieser Stunde war Xaphistas Macht am gewaltigsten.
Und in dieser Stunde war er auch am leichtesten angreifbar.
»Sollte mein Vorhaben gelingen«, sagte R’shiel, um das Schweigen zu brechen, »brauchen Damin und Hablet wohl dieses Heer nur noch aufzulösen.«
»Ein Heer aus etlichen zehntausend Kariern aufzulösen und über die Grenze heimzuschicken, dürfte an sich schon eine bedeutende Herausforderung sein, R’shiel. Und vergiss nicht, dass auch das restliche Medalon von der Besetzung befreit werden muss. Und hier in der Zitadelle mag die Schwesternschaft der Klinge sich gegenwärtig still verhalten, aber das geschieht, vermute ich, lediglich der Belagerung halber. Sie lässt uns gern den Kampf führen, doch sobald wir der Karier ledig sind, wird sie sicherlich versuchen, wieder die Macht zu erringen. Vor uns liegt noch ein langer Weg.«
»Du wirst ein tüchtiger Hochmeister sein, Tarja.«
Er hob die Schultern.
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