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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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dir zu leben, also würden sie dich in deiner
spießigen Häuslichkeit zufrieden lassen.« Ihre Augen funkeln verärgert. »Gibt
es vielleicht irgendwelche Trainingslager, wo er mal ein bisschen Einfühlungsvermögen
anerzogen bekommt? Ich finde, er könnte einen Zwangsurlaub ganz gut vertragen.«
    »Das gilt auch für meine Vorgesetzte. Das heißt, meine
ehemalige Vorgesetzte.« Der Tee hat lange genug gezogen. Ich fische die
Teebeutel heraus und gieße Milch in die Becher. »Hier. Du hast noch gar nicht
gesagt, was du sonst noch so gemacht hast.«
    »Gemacht?« Mo sieht mich erstaunt an. »Ich wurde erst
in einem Schutzanzug von Soldat zu Soldat weitergereicht, dann von Ärzten
untersucht, von Sicherheitsbeamten verhört und schließlich wie ein unartiges
kleines Mädchen nach Hause verfrachtet. Ich habe also nicht allzu viel gemacht,
wie du dir wahrscheinlich denken kannst. Ganz im Gegenteil –« Sie schüttelt
angewidert den Kopf. »Ach, vergiss es.«
    »Das kann ich nicht.« Ich kann auch ihren Blick nicht
erwidern, sondern starre auf meinen kälter werdenden Tee. Doch ich sehe nur
schwach glühende Würmer, die sich langsam winden. »Ich glaube, das hier war
wichtig, Mo. Wichtig für andere. Leute, die jetzt wieder besser schlafen
können.«
    »Aber warum ich?« Sie beißt die Zähne zusammen. Es ist
jetzt nicht die richtige Zeit für Plattitüden.
    »Weil du da warst«, erwidere ich erschöpft. »Weil
jemand in deiner Stadt ein bisschen Terrorist spielen wollte und dabei einen
uralten Dämon rief, den er nicht kontrollieren konnte. Und weil du in der Nähe
warst und dich täglich mit dem Unvorstellbaren auseinandergesetzt hast.
Verstand und Seele sind verführerisch, wenn man erst einmal den Geschmack dafür
entwickelt. Und manchmal, nur manchmal, tauchen Wesen aus dem Unterholz auf,
denen unsere Gedanken ganz besonders gut schmecken. Das Wesen in deinem Fall
hat sich auf unsere Beschränktheit verlassen und darauf, dass wir nicht
erkennen würden, womit wir es zu tun haben. Es hat dich als Lockvogel benutzt,
während wir glaubten, du seist unser Lockvogel! Die ganze Zeit über hat
es uns an der Nase herumgeführt. Am Schluss mussten mindestens fünf Menschen
wegen unserer Dummheit sterben und einer liegt im Krankenhaus. Und niemand
weiß, ob er es schafft.«
    »Danke.« Ihre Stimme klingt hart und tonlos. »Wessen
Fehler war das alles?«
    »Es war eine Entscheidung von oben.« Ich stelle meine
Teetasse neben den Motorblock und sehe Mo an. »Wenn wir dir nicht gefolgt
wären, würden diese fünf Menschen noch leben. Von einem rein utilitaristischen
Standpunkt aus hat die Wäscherei also große Scheiße gebaut – und zwar von den
oberen Etagen bis nach unten, von Anfang bis Ende. Ich hätte nicht einmal nach
Santa Cruz kommen dürfen. So einfach ist das im Grunde.«
    »Ist das wirklich deine Meinung?«, fragt sie leicht
verwundert.
    Ich schüttele den Kopf. »Manchmal begehen wir Fehler,
weil wir die besten Absichten haben. Wenn Angleton sich an die Vorschriften
gehalten hätte – wie zum Beispiel an die wunderbaren ISO-9000
Qualitätsvorschriften für Okkult-Operationen –, dann wärst du jetzt tot. Und
einer der Eisriesen wäre trotzdem in unser Universum eingedrungen. Früher oder
später wären wir alle umgekommen.«
    »Angleton hat sich also nicht an die Vorschriften
gehalten? Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas machen würde. Auf mich hat er
bisher wie ein alter, vertrockneter Bürokrat gewirkt.«
    »Ein alter Jahrgang vielleicht, der aber offensichtlich
noch für manche Überraschung gut ist.«
    Sie steht auf. »Und was hast du dort gemacht?«,
will sie wissen.
    Ich zucke mit den Achseln. »Glaubst du, ich hätte dich
einfach so im Stich gelassen?«
    Sie schaut mich einen Augenblick lang an, der mir wie
eine Ewigkeit vorkommt. »Ich kenne dich eigentlich noch nicht lange genug, um
voraussagen zu können, was du tun oder denken würdest. Schon seltsam, was einem
eine Krise über andere Menschen verrät.« Sie streckt eine Hand aus. »Brain
kommt vor sieben Uhr nicht zurück, und ich muss in einer halben Stunde in
meiner alten Wohnung sein. Hilfst du mir, das Ding auf den Boden zu stellen?«
Sie deutet auf den Motorblock.
    »Klar, mache ich. Äh … Was hast du denn vor, wenn ich
fragen darf?«
    »Was ich vorhabe?« Sie hält inne, eine Hand schon auf
dem Motorblock. »Ich werde meine Sachen in Brains Zimmer bringen, sobald er
ausgezogen ist. Du hast doch wohl nicht gedacht, dass du mich so

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