Dämonentor
lang begreife ich nicht, worum es
eigentlich geht. Doch dann dämmert es mir. Ich erinnere mich an meinen ersten
Auftrag für den Außendienst, das Croxley-Gewerbegebiet, das mitternächtliche
Summen der Server und die Sicherheitsbeamten, die sich unter den Tischen
versteckten. Und mir wird auf einmal eiskalt.
»Worum geht es hier?«, will Bridget wissen.
»Ich befürchte, Sie müssen so einiges erklären«,
mischt sich Eric erneut ein und glotzt mich mit seinen wässrigen blauen Augen
an wie ein alter Geier, der die Beute schon im Visier hat.
Mir ist zwar fast schlecht vor Schreck, aber meine
zunehmende Wut lässt mich die Angst vergessen. Während die drei ungeduldig und
voll des Triumphes auf meine Erklärung warten, verwandelt sich die kalte Wut in
heißen Zorn. Ich presse die Hände vor mir auf die Tischplatte, um nicht Gefahr
zu laufen, einem von ihnen eine Ohrfeige zu verpassen, denn das wäre sicher
nicht die geschickteste Art, mit dieser Situation fertig zu werden.
»Das überschreitet eure Befugnisse«, sage ich so
entschieden, wie es geht.
Harriets Lächeln verschwindet als Erstes. »Ich bin die
Leiterin deiner Arbeitsgruppe«, meint sie mit finsterer Miene. »Du hast nicht
zu entscheiden, was meine Befugnis überschreitet und was nicht.«
»Leck mich doch«, sage ich und stehe auf. »Bitte
protokollieren Sie, falls ihr das schriftlich haben möchtet: Ich weise alle
Anschuldigungen von mir, denn meine Handlungsweise war und ist völlig gerechtfertigt.
Ich werde mich nicht zum Schuldigen in einem lächerlichen Schauprozess machen
lassen, bei dem Ankläger und Richter ein und dieselbe Person sind. Ihr habt
keinerlei Befugnis, zu erfahren, was geschehen ist, und ich habe keine
Erlaubnis, darüber zu sprechen. Wenn ihr das Ganze also wirklich weiterverfolgen
wollt, dann bestehe ich darauf, dass ihr euch an Angleton wendet.«
»Angleton …« Jetzt ist auch Bridgets Lächeln verschwunden.
Eric zwinkert verwirrt. Ich wende mich an ihn.
»Nehmen Sie doch diese E-Mail und legen Sie sie
Angleton vor«, sage ich ruhig. »Er wird bestimmt wissen, was damit zu tun ist.«
»Wenn Sie das sagen …« Eric wirkt nun sehr
verunsichert. Er kennt die Wäscherei schon lange genug, um zu wissen, welche
Macht Angleton hier hat. Man kann fast die Angst in seinen Augen sehen.
»Los, gehen wir.«
Ich nehme die Akten, öffne die Tür und mache mich auf
den Weg. Bridget protestiert: »Das können Sie doch nicht machen!«
»Und wie ich das kann!«, knurre ich sie über die
Schulter hinweg an und mache mich auf den Weg ins Untergeschoss, in die Höhle
des Löwen. »Sie werden schon sehen, wie ich das kann!« Ich habe eine Wut, die
größer kaum sein könnte, und eine aufgescheuchte Harriet, die hinter mir her
flattert – mehr brauche ich nicht. Diese verdammten Machtspielchen! Sollen sie
doch sehen, wie weit sie damit kommen.
Ich stehe im Vorraum zu Angletons Reich. Die Tür steht
offen. Ohne anzuklopfen, stürme ich hinein und überrasche irgendein junges
Pickelgesicht, das gerade Microfichefilme in den Memex-Apparat fädelt. »Chef!«,
rufe ich.
Die innere Tür öffnet sich. »Howard. Wir haben gerade
über Sie gesprochen. Kommen Sie rein.«
Entschlossen eile ich in sein Büro und bleibe auf dem
grünen Teppich vor dem riesigen olivfarbenen Metallschreibtisch stehen. Ich
wedle mit den Akten in der Luft und zeige auf meine Verfolger. »Bridget und
Harriet«, sage ich zusammenhanglos. »Oh, und natürlich Eric.«
Andy lehnt an der Wand neben Angletons Schreibtisch
und pfeift leise vor sich hin. »Du scheinst wirklich zu wissen, wie man Freunde
gewinnt.«
»Ich bitte um Ruhe.« Angleton lehnt sich demonstrativ
nach vorne. »Miss Brody, dürfte ich erfahren, was Sie unserem jungen Freund
hier zur Last legen?«
Bridget tritt auf seinen Schreibtisch zu und baut sich
breitbeinig vor ihm auf. »Verstöße gegen die innerbetrieblichen Vorschriften.
Verletzung der Sicherheitsbestimmungen. Nicht autorisierte Benutzung des
Internets. Mangelnde Arbeitszeiterfassung. Unerlaubte Abwesenheit.
Nichteinhaltung des Protokolls und beleidigendes Auftreten gegenüber einer
Vorgesetzten – insgesamt also ein überaus gravierendes Fehlverhalten.«
»Ich … verstehe.« Angletons Stimme ist so kalt, dass
er damit sicher flüssigen Wasserstoff einfrieren könnte.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Andy versucht, meine
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er scheint mir durch Zucken seiner Wangen
Morsezeichen senden zu wollen, die mir wohl
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