Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
Vor mir liegt das Feld mit den Beton-Kühen, die neben
einigen niedrigen Bäumen friedlich grasen. Der Zaun wirft lange Schatten, und
auf der anderen Seite der Weide zeigt sich in der Dunkelheit eine merkwürdige
Erhöhung. Es ist Herbst, und das erste Morgenlicht lässt noch mindestens eine
halbe Stunde auf sich warten. Ich hebe meinen modifizierten Camcorder ans Auge,
richte ihn auf die Unebenheit und drücke den Aufnahmeknopf.
    Die Erhöhung hat gewisse Ähnlichkeit mit einer Kuh,
die sich nach den Strapazen des Fressens hingelegt hat. Ich werfe einen Blick
über die Schulter in Richtung Helikopter, dessen Rotoren gerade anlaufen. Ich
bin mir einigermaßen sicher, dass ich nicht in akuter Gefahr schwebe, aber ein
bisschen mulmig ist mir trotzdem. Am anderen Ende der Weide –
    »Lagebericht: Bob Howard, Bancroft Park, Milton
Keynes, um sieben Uhr vierzehn, Dienstag der achtzehnte. Ich zähle neun Kühe.
Eine liegt am anderen Ende der Weide auf dem Boden – GPS-Koordinaten folgen.
Eine vorläufige Kontrolle ergab, dass sich in einem Umkreis von einem Viertel
Kilometer keine Menschen befinden. Resthitze beträgt etwas weniger als
zweihundert Grad Celsius. Ich schließe daraus, dass ich mich dem Objekt nähern
kann.«
    Einen widerwilligen Fuß vor den anderen setzend, gehe
ich langsam auf die Herde zu. Dabei werfe ich vorsichtshalber in regelmäßigen
Abständen einen Blick auf mein Dosimeter. Es ist zwar ziemlich unwahrscheinlich,
dass sekundäre Strahlungen ein Problem darstellen, aber man kann ja nie wissen.
Die erste Kuh taucht aus der Dunkelheit vor mir auf. Sie ist schwarz-weiß
bemalt, und aus der Nähe kann man sie eindeutig als Kunstwerk erkennen. Ich
streichele ihre Schnauze. »Ganz ruhig, Daisy.« Um diese Zeit sollte ich
eigentlich gemütlich neben Mo im Bett liegen. Aber sie befindet sich
augenblicklich auf einem zweiwöchigen Trainingsseminar in Dunwich, während
Angleton auf einmal auf die grandiose Idee kam, Code Blau auszurufen. Die
Aufschläge meiner Jeans sind vom Tau bereits ziemlich feucht, und es ist
wirklich kalt. Nun stehe ich vor der nächsten Kuh. Ich lehne mich an ihr
Hinterteil, um den Camcorder auf mein eigentliches Zielobjekt zu richten.
    »Ground Zero zwanzig Meter entfernt. Das Objekt ist
ein Rind, das seitlich auf dem Boden liegt, eindeutig terminalis. Länge beträgt
ungefähr drei Meter, Rasse … nicht identifizierbar. Das Gras um das Objekt ist
eindeutig verkohlt, aber es gibt keine Anzeichen einer sekundären Entzündung.«
Ich schlucke, obwohl mein Hals ausgetrocknet ist. »Thermische Abgase aus dem
Unterleib.« Die Kuh hat einen riesigen Riss im Bauch, wo die erhitzte
Flüssigkeit explosionsartig ausgetreten sein muss. Wahrscheinlich brodelt es
noch immer im Inneren der Kuh.
    Langsam nähere ich mich. Es handelt sich eindeutig um
die Überreste einer Kuh und ebenso eindeutig ist es, dass sie ein höchst
unangenehmes Ende fand. Das Dosimeter zeigt an, dass ich sicher bin.
Strahlungen dieser Art entladen sich schlagartig und sekundäre Effekte sind zum
Glück kaum erwähnenswert. Der Boden unter meinen Füßen ist verkohlt, und das
Fell der Kuh ist schwarz und zu einer grobkörnigen, ascheartigen Konsistenz
verbrannt. Es riecht ein bisschen wie ein Rinderbraten, bei dem irgendetwas
schiefgegangen ist. Aus meiner Umhängetasche ziehe ich nach einigem Suchen
einen Fühler hervor. Dann nehme ich meinen
ganzen Mut zusammen und schiebe das scharfe Ende durch den Riss im Unterleib.
Dabei verbrenne ich mir beinahe die Hand, denn die Hitze, die dieses Tier noch
immer ausstrahlt, ist fast so hoch wie bei einem offenen Feuer.
    »Innere Temperatur zwei sechs sechs, zwei sechs sieben
… stabil. Entnahme einer Probe für einen Isotop-Quotienten-Test.« Als Nächstes
hole ich ein Glasröhrchen samt einer scharfen Sonde aus der Tasche und stochere
ein wenig in den Eingeweiden der Kuh herum, um ein Stückchen verbranntes
Fleisch zu lösen. Mein Magen revoltiert. Ich habe zwar grundsätzlich nichts
gegen ein gut gegrilltes Steak einzuwenden, aber das Bild, das sich mir hier
bietet, ist geradezu widernatürlich. Krampfhaft versuche ich, sowohl die
explodierten Augäpfel der Kuh als auch die geborstene Zunge zu ignorieren, die
durch die verkohlten Lippen herausragt.
    Nachdem ich sämtliche Proben erfolgreich entnommen
habe, trete ich ein paar Schritte zurück und gehe in weitem Bogen um den
Kadaver herum, um ihn von allen Seiten zu filmen. Ein offenes Gatter am anderen
Ende der Weide und

Weitere Kostenlose Bücher