Dämonentor
ist allerdings interessant, die anderen
Kursteilnehmer zu beobachten. Babs, eine fröhlich plappernde Blondine mit
großer Brille, betrachtet den Prüftisch, als ob es sich um eine noch nicht
detonierte Bombe handelt. Ich vermute, sie erlebt das alles zum ersten Mal und
stellt sich wahrscheinlich vor, dass gleich wie beim Exorzisten Köpfe
erscheinen und grüner Schleim in alle Richtungen spritzt. John, Manesh, Dipak
und Mike benehmen sich wie gelangweilte Jungbeamte, die froh sind, wieder
einmal eine Woche nicht hinter dem Schreibtisch sitzen zu müssen. Fred aus der
Buchhaltung wirkt wie immer verwirrt und sieht so aus, als ob er sein Gehirn
irgendwo liegen gelassen hätte, während Callie sich schon lange verabschiedet
hat, um sich die Nase pudern zu gehen. Kann man ihr nicht vorwerfen, wie ich
finde. Diese Art von Experiment ist genauso witzig, wie wenn man in einem
Schullabor zeigt, was man unter einer thermischen Reaktion versteht – es kann
alles nach hinten losgehen. Ich versichere mich noch einmal, dass der
Feuerlöscher nur zwei Schritte hinter mir an der Wand hängt.
»Ok. Jetzt passen Sie auf. Keiner darf die Matrix
berühren. Keiner darf auch nur ein einziges Wort sagen, sobald ich einmal
angefangen habe. Und keiner darf den roten Kreis auf dem Boden verlassen. Wir
befinden uns hier in einem geerdeten Käfig, aber wenn wir auch nur den Fuß
hinausstrecken …«
Es geht um die räumliche Struktur. Eine Beschwörung
auszuführen, ist ganz einfach: Man erzeugt einen Attraktor an Punkt A. An Punkt
B setzt man dann den korrespondierenden Gegenpol an. Danach stellt man sich auf
einen dieser Punkte, führt dem Kreislauf Energie zu und am anderen Ende
passiert etwas.
Wirklich wichtig ist dabei ein menschlicher Beobachter
– so etwas kann man nicht mithilfe einer Fernbedienung machen. Allerdings
sollte man sicherstellen, an der richtigen Stelle zu stehen, denn sonst erfährt
man viel eindringlicher als man jemals wollte, was man unter Angewandter
Topologie versteht – also wie das Universum aussieht, wenn plötzlich dein
Inneres nach außen gekehrt wird.
Das ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Man kann
zum Beispiel den Attraktor und die Sicherheitszelle vorblenden und somit die
beschworene Macht einsperren, was bedeutet, dass sie uns am Gegenpol nicht
erwischen sollte. Deshalb hat Dr. Vohlman mit dem Schmiss auf der Wange den
Prüftisch auch genau in die Mitte des roten Pentagramms gestellt, das er zuvor
auf den Boden des Hörsaals gemalt hatte, und uns gebeten, uns so eng wie
möglich drum herum zu stellen.
Um den Feuerlöscher zu fassen zu bekommen, muss ich
den Zirkel aber natürlich verlassen …
»Wurde das von dem Beamten für Sicherheit am
Arbeitsplatz eigentlich abgesegnet?«, fragt Fred.
»Ruhe, bitte.« Vohlman schließt die Augen und
konzentriert sich auf das, was als Nächstes kommt. »Strom.« Er legt den
Schalter um, und ein Licht geht an. »Stromkreis zwei.« Ein Knopf wird gedrückt.
»Ist da jemand?«
Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich grünen Nebel
auftauchen, während ich mich ganz auf das Pentagramm aus Silberdraht
konzentriere. Lichter, die in ein Stück Holz von einem alten Galgen eingelassen
wurden, glühen darunter. Es geht immer um die richtige Mischung.
»Nummer drei.« Vohlman drückt noch einen Knopf und
zieht ein zerknülltes Stück Papier aus der Tasche. Darin befindet sich eine
sterilisierte Lanzette, die er ohne zu zögern in seine linke Daumenkuppe stößt.
Mir stellen sich die Nackenhaare auf, während ich beobachte, wie er seine Hand
Richtung Attraktor schüttelt und sich ein Tropfen Blut löst. Der Tropfen bleibt
wie ein kleiner Ball über einem der Kabel in der Luft hängen und rollt dann
Richtung Mitte. Er vibriert wie ein flüssiger Rubin.
»Ist jemand da?«, äfft Fred ihn nach. Plötzlich zeigt
sich ein hässliches Grinsen auf seinem Gesicht. »Der Witz ist gut! Hab ihn fast
geglaubt!« Er streckt die Hand aus, um nach dem Blutstropfen zu fassen, und ich
spüre, wie sich gewaltige Mächte in der Luft um uns herum versammeln. Plötzlich
erfasst mich ein Kopfschmerz wie vor einem elektrischen Sturm.
»Nicht!«, kreischt Babs, wobei sie noch im Rufen einzusehen
scheint, dass es schon zu spät ist.
Ich schaue Vohlman an. In seinem Gesicht spiegelt sich
blankes Entsetzen wider. Er wagt es nicht einmal, auch nur einen Muskel zu
bewegen, um Fred aufzuhalten. Denn Fred jetzt noch zu berühren, würde bedeuten,
dass sich der Schaden weiter ausbreitet.
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