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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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im
falschen Kurs gelandet ist. In diesem Fall war es dieser tumbe Buchhaltertyp,
über den ich immer lästere. Er ist nur aus Versehen in die Einführung zu
okkultem Programmieren geraten. Ich hätte ja auch nicht dabei sein sollen, aber
Harriet hat Andy überredet. Wahrscheinlich wollte sie sich so an mir rächen.«
Harriet hatte letzten Monat Probleme mit ihrer E-Mail und bat mich um Rat. Ich
weiß nicht, was eigentlich schief gelaufen ist, aber sie musste eine Woche lang
einen Kurs zum Thema Send-Mail-Konfiguration besuchen. »Na ja, man könnte seine
Handlung als eine Art Selbstgeißelung sehen, aber …« Plötzlich merke ich, dass
ich gar nicht mehr spreche, sondern von einem heftigen Schütteln erfasst werde.
    »Seine Augen waren voller Würmer.«
    Brain dreht sich schweigend um und beginnt, in dem
Schrank über der Spüle nach etwas zu suchen. Er holt eine Flasche mit der
Aufschrift »Abflussreiniger« heraus, spült zwei angeschlagene Tassen aus, und
gießt dann die Flüssigkeit aus der Flasche in die Tassen. »Trink das«, sagt er.
    Ich trinke. Es ist kein Chlor. Immerhin. Meine Augen
treten nicht aus ihren Höhlen, und die Flüssigkeit verdampft auch nicht auf
meiner Zunge. »Was zum Teufel ist das?«
    »Abflussreiniger.« Er zwinkert mir zu. »Hält Pinky
davon ab, mal zu probieren.« Ich zwinkere zurück, bin aber immer noch nicht
klüger. Doch momentan würde ich mich sowieso am liebsten sinnlos betrinken – ganz
gleich, womit –, und das scheint Brain gespürt zu haben. Wenn ich völlig
betrunken bin, muss ich nicht mehr nachdenken. Und nicht mehr zu denken täte
eine Weile lang ganz gut.
    »Danke«, sage ich so verschwörerisch, wie ich nur
kann. Schließlich handelt es sich hier um ein persönliches Geheimnis, das Brain
mir da enthüllt. Es berührt mich seltsam, und wenn ich nicht immer Fred vor mir
sehen würde, wie er mich in seinen letzten Minuten angrinst, könnte ich dem
wahrscheinlich sogar Ausdruck verleihen.
    Brain wirft mir einen Blick zu. »Ich glaube, ich weiß,
was dein Problem ist«, meint er.
    »Was denn?«
    »Du musst dich besaufen. Und zwar jetzt.« Er füllt
bereits wieder meine Tasse.
    »Aber wie steht es mit deinen …« Ich fuchtele in
Richtung der Arbeitsplatte.
    Er zuckt mit den Schultern. »Es ist noch im ersten
Entwicklungsstadium. Ich werde mich später darum kümmern.«
    »Aber du hast doch zu tun«, protestiere ich. Dieses
Verhalten ist so ganz untypisch für Brain. In seinen schlimmsten Zeiten kann
man ihn geradezu als Autist bezeichnen. Dass er sich nun um jemanden kümmert,
der emotional durch den Wind ist, scheint mir geradezu – na ja – unheimlich.
    »Ich wollte nur beweisen, dass man ein Omelette machen
kann, ohne Eier zu zerschlagen. Nur ein dummes Experiment. Du dagegen stehst
hier vor mir und wirkst wirklich ziemlich angeschlagen. Schließlich hast du
dein Bestes gegeben, um den Bodysnatcher in Zaum zu halten. Und jetzt müssen
wir eben alles tun, damit es dir wieder besser geht. Und danach kannst du mir
mit meinem Omelette helfen.«
    Ich strecke ihm die Tasse hin, damit er sie wieder
füllt.
    Unzählige Tassen später taucht Pinky auf. Er ist lang
und schlaksig wie immer und wirkt ein wenig atemlos. Ohne uns zu begrüßen will
er wissen, wo der nächste Buchladen ist.
    »Warum?«
    »Für meinen Neffen.« Pinky hat einen Bruder und eine
Schwägerin, die am anderen Ende von London leben und vor kurzem ein Kind
bekommen haben.
    »Was willst du ihm besorgen?«
    »Eine Straßenkarte von London und eine Bibel.«
    »Warum?«
    »Die Karte ist das Taufgeschenk, und die Bibel soll
mir helfen, den Weg zur Kirche zu finden.« Brain lacht stöhnend, während ich
sturzbetrunken hinter dem Sofa nach Ladung für die Ballzoaka suche.
    »Was zum Teufel ist hier los?«
    »Ich mache gerade eine Pause, ehe ich Bob wieder beim
Trinken unter die Arme greife, das braucht er nämlich«, erklärt Brain. »Er muss
abgelenkt werden. Bis du gekommen bist und das Thema gewechselt hast, ist mir
das auch gut gelungen.« Er steht auf und wirft einen Saugpfeil auf Pinky, der
sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringt.
    »Das meinte ich gar nicht. In der Küche riecht es
irgendwie komisch. Etwas, äh, etwas Schuppenartiges, Runzeliges –« Ein
Kultausdruck in unserem Haushalt, den wir immer mit einer Geste untermalen, die
außerirdische Tentakel am Kinn darstellen soll »– und Gelbes, hat versucht,
meinen Schuh zu essen. Was ist hier also los?«
    »Genau.« Ich versuche, mich aufzusetzen,

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