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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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geschnitten ist. Weitere neun Prozent verbringst du mit
Warten im Gebüsch, und das kannst du garantiert auch ganz gut. Nur das eine
Prozent, die wenigen Sekunden großer Gefahr und Verwirrung – das ist es, was an
diesem Job so schwer ist. Und ich glaube, dass du heute gezeigt hast, wie gut
du eine solche Situation regeln kannst. Wenn es nach mir ginge, würdest du die
Stelle auf jeden Fall bekommen.« Er steht auf.
    Ich erhebe mich ebenfalls. »Ich werde darüber
nachdenken«, erwidere ich und verlasse das Zimmer, ehe ich anfange,
loszuschreien. Ich kann Freds Miene einfach nicht vergessen. Ich habe noch nie
zuvor jemanden sterben sehen. Ist schon komisch. Die meisten von uns erleben
nie, wie ein anderer Mensch stirbt – schon gar nicht so brutal, wie das bei
Fred der Fall war. Ich sollte mich eigentlich freuen, weil ich nun weiß, dass
ich für den Außendienst vorgesehen bin. Wenn dieses Gespräch mit Andy gestern
stattgefunden hätte, würde ich das auch. Aber jetzt will ich mich nur noch
übergeben.
     
    Als ich nach Hause komme, ist Brain in der Küche und
versucht sich gerade an einem Omelette.
    Es regnet, und meine Jacke ist selbst nach dem kurzen
Weg von der U-Bahn-Station zur Haustür total durchnässt. Wieder einmal bin ich
froh, Kontaktlinsen zu tragen, denn sonst würde ich jetzt durch beschlagene
Brillengläser die Welt betrachten.
    »Hi«, sagt Brain. »Kannst du das mal kurz halten?«
    Er reicht mir ein Ei. Ich sehe mich überrascht in der
Küche um.
    Normalerweise ist unsere Arbeitsfläche nicht so
makellos rein wie heute. Ich habe fast das Gefühl, in einer Arztpraxis gelandet
zu sein. Tatsächlich liegt dort auch eine Spritze, in der sich eine graue,
schillernde Flüssigkeit befindet. Betonessenz. Auf der anderen Seite der
Arbeitsfläche steht eine Küchenmaschine, deren Sicherheitsvorrichtung
kurzerhand außer Gefecht gesetzt und durch einen Elektromotor, der an die
Antriebswelle der Messer gekoppelt ist, ersetzt wurde. Triefend stehe ich da
und starre ungläubig darauf. Selbst für Brain sieht das, was ich da sehe,
ungewöhnlich aus.
    Ich gebe ihm das Ei zurück. »Ich bin nicht in der
Stimmung.«
    »Ach, komm schon. Halt es einfach.«
    »Ich meine es ernst. Ich bin gerade suspendiert worden
und warte auf eine Anhörung.« Langsam ziehe ich den Reißverschluss meiner Jacke
auf und ziehe sie aus. »Das Spiel ist aus, keine Faxen mehr.«
    Brain legt den Kopf zur Seite und schaut mich aus
seinen großen hellen Augen an. Irgendwie wirkt er wie eine durchgeknallte Eule.
»Echt jetzt?«
    »Echt.« Ich suche die Kaffeedose und löffle dann etwas
Pulver in die Pressfilterkanne. »Wasser im Kessel?«
    »Suspendiert? Bezahlt? Warum?«
    »Ja, bezahlt. Ich habe sechs Leuten das Leben
gerettet, einschließlich mein eigenes. Dabei musste  aber ein Siebter dran
glauben, und deshalb gibt es eine Untersuchung. Sie behaupten zwar, dass es nur
eine Formalität ist, aber …« Ich schalte den Wasserkocher an.
    »Ist das während des Trainings passiert oder was?«
    »Hmm. Fred aus der Buchhaltung. Er hat eine Beschwörungsmatrix
geerdet.«
    Brain schaut mich fassungslos an. »Mann, Bob, das ist
ja schrecklich. Tut mir echt leid.« Er bietet mir wieder das Ei an. »Hier, ich
bitte dich, halt es für einen Moment.« Widerstrebend nehme ich das blöde Ding
und lasse es fast fallen. Es ist heiß und fühlt sich leicht ölig an. Außerdem
riecht es auf einmal nach Schwefel. »Verdammt, was –«
    »Nur für einen Moment! Ehrlich!« Er holt eine
Kupferspule hervor. Ihr Draht ist um ein kleines Plastikmesser gewickelt und an
irgendeinem Ding befestigt. Vorsichtig zieht er nun den Draht um das Ei, mein
Handgelenk und wieder zurück. »So. Das Ei sollte jetzt entmagnetisiert sein.«
Er legt die Spule auf die Arbeitsplatte und nimmt mir das Ei ab. »Jetzt schau
genau zu! Der erste Prototyp des ultimativen Integral-Omelettes.« Er schlägt
das Ei auf, und ein gelber, lederartiger Schwamm kommt zum Vorschein. Jetzt
stinkt es wirklich nach Schwefel. »Das Ganze befindet sich noch im
Entwicklungsstadium, ich musste eine Spritze dafür verwenden, aber ich habe da
schon etwas Feines in petto – Hämoglobinagglutinat. Aber mal was anderes, wie
ist der Mann eigentlich gestorben?«
    Ich setze mich auf den Mülleimer. Vielleicht ist Brain
gar nicht so egozentrisch und verrückt wie er aussieht? Zumindest scheint er zu
merken, dass mich Freds Tod ganz schön mitgenommen hat.
    »Du weißt doch, dass es immer jemanden gibt, der

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