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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Für Fred ist es sowieso zu spät, und
man sollte garantiert niemanden berühren, der unter Hochspannung steht.
    Fred steht ganz still, während sein Jackenärmel zuckt,
als hätte er einen schweren Krampf. Seine Hand befindet sich über dem
Attraktor, und der Blutstropfen bewegt sich nun auf seine Fingerspitze zu. Sein
Lächeln ist nun wie festgefroren. Langsam öffnet er den Mund. »Ja«, erklärt er
in einer hohen klaren Stimme, die nicht seine ist. »Wir sind hier.«
    In seinen Augen zucken leuchtende Würmer.
     
    »Und was habt ihr als Nächstes gemacht?«, fragt Boris.
Ich lehne mich zurück und starre zur Decke hoch, die ganz von Zigarettenrauch
umnebelt ist. Ich brauche einige Sekunden, um meine Stimme zu finden. Mein Hals
ist ganz rau.
    »Wir haben die Lage so schnell wie möglich sondiert – so,
wie man es uns immer beibringt: einschätzen und sofort Prioritäten setzen. Fred
hat das Sicherheitsfeld geerdet, und die Level-3-Macht hatte sich bereits
völlig in ihm ausgebreitet. Level 3 ist ja noch nicht so geschickt, aber das
Universum, aus dem es kommt, hat eine viel schnellere Zeitbasis als die unsere.
Sobald Fred das Schutzfeld berührt hatte, war auch schon sein Nervensystem
analysiert worden und er wurde wie eine schlechte Nuss geknackt. Totale
Aneignung in zwei bis fünf Hundertstel Millisekunden.«
    »Aber was habt ihr gemacht?«, will Andy wissen.
    Ich schlucke. »Ich stand ihm gegenüber. Da zu diesem
Zeitpunkt weder der Attraktor noch der Gegenpol funktionierten, waren wir auf
einmal alle zur Zielscheibe geworden. Priorität Nummer eins war es nun, so
schnell wie möglich die Besitznahme zu beenden. Das macht man, indem man den
Besessenen körperlich außer Gefecht setzt, ehe die jeweilige Macht ein
Verteidigungsnetz aufbauen kann. Als Erstes habe ich also nach dem Feuerlöscher
gegriffen.«
    »Das war das Erste?«, bohrt Boris nach.
    »Ja.«
    Andy nickt. »Natürlich wird es eine genaue Untersuchung
geben«, erklärt er. »Aber das ist erst mal das Wichtigste, was wir wissen
müssen. Es passt zu dem, was auch die anderen berichten.«
    »Ist er schwer verletzt?«
    Andy schaut in eine andere Richtung. Meine Hände
zittern so stark, dass meine Kaffeetasse überschwappt. »Er ist tot, Bob. Er war
in dem Moment tot, als er die Grenze überschritt. Ihr hättet alle dran glauben
müssen, wenn du ihn nicht außer Gefecht gesetzt hättest. Einer deiner Kollegen
war gar nicht anwesend, zwei hatten überhaupt keine Ahnung, was da abging, und
fünf – einschließlich des Lehrers – schwören, dass du ihnen das Leben gerettet
hast.« Er schaut mich wieder an. »Aber leider musst du die ganze Untersuchung
trotzdem über dich ergehen lassen, denn schließlich endete es tödlich. Fred
hinterlässt eine Frau und zwei Kinder, und außerdem geht es um seine Pension.«
    »Das wusste ich nicht.« Ich pfeife mich zurück, ehe
ich noch etwas Blödes sage. Fred mochte vielleicht ein Idiot gewesen sein, aber
kein Mensch ist eine Insel. Mir ist ganz schlecht, während ich über die
Konsequenzen nachdenke, die mein Verhalten in diesem Raum nach sich ziehen.
Wenn ich nur während der Pause geduldiger gewesen und ihm erklärt hätte, worum
es bei diesem Kurs eigentlich geht.  Oder ich hätte ihm auf die Schulter
klopfen und ihn nach Hause schicken können …
    Andy unterbricht meinen Gedankengang. »Es ist wirklich
schrecklich. Aber das ist es immer, wenn so etwas Unvorhergesehenes passiert.
In diesem Fall wird die Untersuchungskommission das Ganze wohl rein formell
handhaben. Wahrscheinlich wirst du sogar Lob einheimsen. Doch in der
Zwischenzeit musst du leider ins Büro zurück, wo dich Harriet offiziell davon
in Kenntnis setzen wird, dass du bei voller Bezahlung bis zur Anhörung vom
Dienst suspendiert bist. In der nächsten Woche bleibst du zu Hause und erholst
dich erst einmal, und dann werden wir versuchen, das Ganze so schnell wie
möglich aus der Welt zu schaffen.« Er lehnt sich etwas zurück und seufzt. »Die
ganze Sache stinkt zum Himmel, aber was kann man machen? Ich würde also
vorschlagen, dass du deine Suspendierung dazu nutzt, dich zu entspannen und zu
sammeln, denn nach der Anhörung werden wir vermutlich deinen Wunsch, in den
aktiven Außendienst zu treten, mit wohlwollenderen Augen betrachten als
bisher.«
    »Wirklich?« Ich richte mich auf.
    »Neunzig Prozent des aktiven Dienstes besteht aus
Büroarbeit. Das sollte also kein Problem für dich sein, selbst wenn es dir
nicht ganz auf den Leib

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