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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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der dritten Flanke. Als
die Wäscherei Dunwich vom MI5 übernahm, entwickelten sie noch subtilere
Abwehrmethoden. Jeder, der sich dem Ort bis auf einen Kilometer nähert,
empfindet plötzlich ein seltsames Gefühl der Beunruhigung. Die einzige Art,
hierherzugelangen, ist mit einem Boot – und unsere schwimmenden Freunde kümmern
sich um jeden unwillkommenen Besucher, der kleiner ist als ein atomares U-Boot.
    Ich brauche Platz, um in Ruhe nachdenken zu können,
denn es gibt eine ganze Menge Dinge, über die ich mir dringend klar werden
muss.
    Der Untersuchungsausschuss kam zu dem Schluss, dass
ich für den Unfall nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Sie haben sogar
meine Versetzung in den aktiven Außendienst genehmigt. Außerdem scheint so ein
Ausschuss ziemlich einflussreich und gefürchtet zu sein. Die haben in meiner
Abteilung mal richtig gründlich aufgeräumt, sodass schließlich alles seine
Ordnung hatte – auch wenn bei dieser Gelegenheit manch peinlicher Makel und
Fehler zum Vorschein kam. Wenn ich tatsächlich schuldig wäre, würde ich diesen
eiskalten Bürokraten des Ausschusses nicht Rede und Antwort stehen wollen! Aber
wenn – wie Andy meinte – Neunmalkluge in der Wäscherei verpönt wären, dann
könnte die Wäscherei im Grunde gleich einpacken.
    Mhari ist nach der angekündigten Party erneut bei mir
eingezogen, und ich habe mich bisher noch nicht getraut, sie wieder
rauszuschmeißen. Immerhin hat sie bis dato noch nichts nach mir geworfen oder gedroht,
sich die Pulsadern aufzuschneiden. Als sie mir das letzte Mal vor zwei Monaten
mit Selbstmord kam, war ich derart wütend, dass ich nur lapidar meinte: »Dann
schneide aber vertikal und nicht horizontal!« Daraufhin zerschlug sie eine
Teekanne auf meinem Kopf. Vielleicht hätte mir das eine Lehre sein sollen.
    Aber momentan beschäftigt mich Wichtigeres. Die
Geschichte mit Fred hat mir die Augen geöffnet. Will ich wirklich noch immer in
den aktiven Außendienst? Teil der Chemischen Reinigung werden, fremde Länder
besuchen, exotische Menschen kennen lernen und sie mit tödlichen Zaubersprüchen
belegen? Auf einmal bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich dachte, ich wäre es,
aber jetzt weiß ich, was es tatsächlich bedeutet – nämlich stundenlang zitternd
im Regen warten oder zusehen müssen, wie sich in den Augen anderer Würmer
zeigen. Möchte ich mir das wirklich antun?
    Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
    Ein Felsbrocken taucht vor mir am Kiesstrand auf.
Dahinter liegt das Wrack eines alten Ruderboots, das die Grenze unseres Bezirks
anzeigt. Bis hierher kann ich gehen und nicht weiter, ohne einen Alarm
auszulösen und einen Narren aus mir zu machen. Ich lege meine Hand auf den
Stein, der mit Flechten und Entenmuscheln übersät ist. Nachdenklich setze ich
mich drauf und schaue den Strand entlang nach Dunwich und zum
Ausbildungszentrum.
    Irgendwo dort im Dorf muss Dr. Malcolm Denver
verschiedene Einführungs- und Orientierungskurse über sich ergehen lassen,
seine Schuhgröße wird ermittelt, seine Pension angepasst, er erhält seine
Zahnpasta und die ID-Karte der Wäscherei. Wahrscheinlich ist es noch immer ein
bisschen stinkig – genauso wie ich es war, als sie mich vor vier Jahren dabei
ertappten, wie ich via Computer geheime Staatsakten durchforstete. Eigentlich
war es die Schuld der anderen gewesen, denn die hatten sich nicht ausreichend
gegen Hacker geschützt. Dabei handelte es sich im Grunde nur um einen Job für
den Sommer. Ich hatte soeben meinen Bachelor in Informatik gemacht und wollte
im Herbst weiterstudieren. Um über die Runden zu kommen, jobbte ich und landete
so beim Verkehrsministerium. Schon bald kam mir etwas faul vor, und ich begann
zu graben. Wie groß die ganze Angelegenheit werden sollte, merkte ich erst, als
es bereits zu spät war. Zuerst war ich ziemlich sauer. Doch während der
kommenden vier Jahre arbeitete ich mich so langsam durch das geheime Wissen der
Wäscherei und erwarb die Grundkenntnisse unseres Gewerbes.
    Thaumatologie beziehungsweise die Lehre von den
Wundern ist sicher mindestens genauso faszinierend wie die Zahlentheorie – das
gebe ich gerne zu. Aber will ich wirklich den Rest meines Lebens mit einer
streng geheimen Arbeit zubringen, von der nichts an die Öffentlichkeit dringen
darf?
    Doch was soll ich sonst machen? Ich kann schließlich
schlecht wieder in das Leben eines Otto Normalverbrauchers zurückkehren – obwohl
ich das sogar dürfte, wenn ich nur lange genug betteln würde.

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