Dämonentor
hat.
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Überläufer
Fast auf die Minute genau drei Monate später hat es
mich in die USA verschlagen – mein erster Außendiensteinsatz. Das sollte
eigentlich eine sehr stressige Zeit in meiner Karriere sein, aber es hat sich
als eine recht ruhige Trainingsmission herausgestellt. Außerdem gibt es
hässlichere Fleckchen auf der Erde als Santa Cruz in Kalifornien. Und dann ist
da noch Mhari. Momentan wäre es mir lieber, von der spanischen Inquisition die
Fingernägel einzeln herausgerissen zu bekommen, als sie am Hals zu haben. Ich
mache also das Beste daraus, sitze in einer heruntergekommenen Spelunke am
Hafen, benetze meine Kehle mit einem eiskalten Weizenbier der Santa Cruz
Brewing Company und beobachte die Pelikane draußen an der Reling.
Es ist Frühsommer und so um die zwanzig Grad; der
Strand ist voller Schönheiten und bescheuerter Surfer. Da ich mich nun mal in
Kalifornien befinde, trage ich eine abgeschnittene Jeans, ein psychedelisches
T-Shirt und eine Baseballkappe, verkehrt herum natürlich. Aber ich sollte mir
nichts vormachen, niemand hier hält mich für einen Einheimischen. Schließlich
habe ich den typischen Computerfreak-Teint, den man in Santa Cruz nicht einmal
bei denen findet.
Mein Kontaktmann heißt Mo. Ich bin mir nicht sicher,
ob das ein Pseudonym ist. Keiner weiß etwas über ihn, außer dass er ein
britischer Akademiker ist und Schwierigkeiten hat, nach Großbritannien zurückzukehren.
Warum sich die Wäscherei überhaupt auf so jemanden eingelassen hat, ist mir ein
Rätsel.
Ich sollte hierzu wohl besser ein paar Hintergrundinformationen
liefern. Sind die Amerikaner und die Briten denn nicht Busenfreunde? Ja und
nein. Keine zwei Länder haben die gleichen Interessen. Die ganze Sache wird
ziemlich unklar, wenn Eigeninteressen ehemalige Verbündete dazu bringen, alles
andere als freundlich miteinander umzugehen. So spionierte der Mossad die CIA
aus und in den Siebzigerjahren waren Rumänen und Bulgaren in der UdSSR als
Spione unterwegs. Das soll allerdings nicht heißen, dass sich die
Geheimdienstchefs nicht gegenseitig auf die Schultern geklopft hätten …
Also, im Jahr 1945 unterzeichneten die Briten und die
Amerikaner eine Vereinbarung, in Zukunft Geheimdienstinformationen
auszutauschen. Nun konnte jeder dem anderen auf die Finger sehen – nichts eint
schließlich mehr als ein gemeinsamer Feind. Und während der ersten paar Nachkriegsjahre
bliesen beide Länder noch immer in dasselbe Horn.
Aber im nächsten Jahrzehnt verschlechterten sich die
Beziehungen. Als dann schließlich in der Zeitung zu lesen war, dass der
britische Geheimdienst fast nur aus russischen Spionen bestand, ließ uns die
CIA links liegen. Die Supermächte polarisierten sich und der britische Löwe
nahm nur widerwillig seinen Platz in der Manege ein, gebändigt von Uncle Sam.
Man kann natürlich auch der Suez-Krise und dem Turing-Desaster die Schuld in
die Schuhe schieben oder Nixons Paranoia, aber als wir den Amerikanern 1958
anboten, den Geheimdienstinformationsvertrag für okkulte Angelegenheiten zu
verlängern, wollten sie nichts davon wissen.
Meine Kollegen im Hauptbüro hören allerdings
amerikanische Telefongespräche mit und schreiben alles mit, um es dann fein
säuberlich an die nationale Sicherheitsbehörde der Amerikaner weiterzuleiten – schließlich
verbietet ihnen das Grundgesetz, ihre eigenen Bürger derart zu bespitzeln. Eine
Hand wäscht natürlich die andere, und so können wir erhobenen Hauptes beteuern,
kein einziges Telefongespräch in Europa abzuhören. Wir lesen nur die
Abschriften (mit amerikanischen Rechtschreibfehlern). In der zwielichtigen Welt
der Geheimdienste wird alles im Verborgenen erledigt, denn offene Kooperationen
sind nicht erlaubt. Ich kenne hier keinen Menschen – ganz so, als wäre ich in
Kabul oder Belgrad: Schließlich bin ich ja sogar illegal hier, trotz eines
Touristenvisums. Sollte also irgendetwas Widerwärtiges geschehen, so ist es
mein Bier. Die gute, alte Wäscherei.
Allerdings sind die Tage, als man noch nachts über
Feindesland abspringen musste, erst einmal vorbei. Das Gleiche gilt auch für
die Schauprozesse gefangen genommener Spione. Sollte man mich erwischen, muss
ich höchstens einige Fragen beantworten, ehe ich höflich zum nächsten Flugzeug
gebracht werde. So war auch meine Einreise in die USA eher unspektakulär. Ich
füllte ein Formular aus (»Beruf: Beamter; Grund für den Aufenthalt: beruflich«.
Und: Nein, ich war
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