Dämonentor
Orte ohne Namen öffneten – dorthin, wo die
Infofresser hausen: Wesen der beinahe absoluten Kälte, die in den Überresten
dieser ständig expandierenden Universen existieren, die dem Protonen-Zerfall
und der Strahlung der schwarzen Löcher zum Opfer fallen? Die Beschwörung von Mächten,
die wir nur als Götter betiteln können, würde die Rote Armee, die Alliierten
und so ziemlich alles, was sich ihnen in den Weg stellt, einfach wegpusten …
Aber was geschah dann?
Ich bahne mir einen Weg zwischen den gefrorenen
Baumstümpfen hindurch, während ich alles so klar vor mir sehe, als wäre es eine
Fernsehdokumentation. Ein Sturm des Schmerzes und der Verwüstung fegt durch
Europa, Bomber fallen wie Löwenzahnsamen vom Himmel. Eine dunkle Macht erhebt
sich im Westen, ein Mahlstrom, der Zukhovs Divisionen in den Abgrund reißt. Die
SS-Geisterbeschwörer können ihr Glück kaum fassen: Ihre Dämonen geistern in
gestohlenen Körpern durch unsere Welt und befreien sie von Feinden, ernähren
sich von den Seelen der Untermenschen, spucken ihre Knochen aus. Der
Schnee fällt früh, der Fimbulwinter hält Einzug, denn die legendären Eisriesen
sind zurückgekehrt, um nach der Pfeife des Tausendjährigen Reichs zu tanzen. Der Traum des Führers soll sich
erfüllen. Eine blasse Sonne, die keine Wärme mehr abgibt, blickt verdrossen auf
eine Wildnis aus Eis und Feuer, verwüstet durch den Triumph des Willens.
Erst einige Monate später bemerken sie, dass sie sich
verrechnet haben. Die Tage werden kürzer und kürzer – das Äquinoktium ist
längst überschritten, die Temperaturen befinden sich in freiem Fall, und die
Sonne verdunkelt sich. Die Giganten entziehen sich ihrer Kontrolle.
Für das siegreiche Dritte Reich ist nun die Götterdämmerung
angebrochen …
Wir gehen die Anhöhe hinauf zum Tor. Ich drehe mich um
und werfe einen letzten Blick auf die Festung, auf die kleine Insel der Wärme
in einer Welt, in der die Kälte herrscht. Ich denke einen Moment lang
angestrengt nach. »Ich habe eine Idee!«, sage ich laut. Als Antwort erhalte ich
ein statisches Rauschen.
Ich sehe mich um. Chaitin steht etwas weiter oben auf
der Anhöhe und winkt mir zu. Mehr Rauschen. »Können Sie mich hören?«, will ich
wissen und drehe an meiner Brustkonsole herum. »Hallo, hören Sie mich?«
Chaitin kommt auf mich zu, mit einer Spule Kabel in
der Hand, an deren Ende ein Stecker baumelt. Während er sich nähert,
verschwindet das Rauschen in meinen Ohren. Er versucht den Stecker in meine
Brustkonsole zu drücken, doch ich stoße seine Hand weg. »Was ist los?«, fragt
er schroff.
Ich hole tief Luft. »Ich muss einige Messungen
vornehmen. Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht! Warum ist es so kalt? Was ist
mit dem Funk los? Was hat die Menschen in dem Bunker getötet? Ich glaube, Alan
braucht eine Antwort auf diese Fragen. Ach verdammt! Ich brauche eine
Antwort – es ist wichtig.«
Ich kann Chaitins Gesichtsausdruck durch das Visier
nicht erkennen. »Gründe«, fordert er.
Auf einmal geht mir ein Licht auf. Ich schaudere.
»Hören Sie zu. Die haben etwas beschworen, das die gesamte Energie aus diesem
Universum gesaugt hat. Wenn Alan jetzt eine Wasserstoffbombe zündet – was
glauben Sie, passiert dann wohl?«
»Weiter.« Chaitin will mir erneut das Kabel reichen.
Ich zeige auf meine kaputte Brustkonsole und dann in
den Himmel. »Erstens: Sehen Sie die Sterne? Die sind alle rötlich und zu weit
auseinander. Eine Rotfärbung bedeutet, dass sie sich mit irrer Geschwindigkeit
voneinander weg bewegen! Oder die Energie, die das Licht überträgt, wird von
etwas aufgezehrt. Ich nehme an, dass dieses Etwas auch Schuld an unseren
Kommunikationsproblemen hat. In diesem Universum gibt es keine Plancksche Konstante
mehr, sie hat aufgehört, konstant zu sein. Zweitens: Die Sonne – sie ist
ausgegangen. Das muss bereits ein paar Jahrzehnte her sein, denn sonst wäre es
hier nicht so verdammt kalt. Die Temperatur liegt bei etwa vierzig über absolut
Null, und das wird nicht mehr lange so bleiben. Das Einzige, was diese Erde
noch über der kosmischen Temperatur hält, sind Millionen von Tonnen heißen
Gesteins mit genügend Thorium und Uran, um diesen Ort noch ein paar Milliarden
Jahre am Kochen zu halten. Aber selbst diese Energie wird schneller abgestoßen,
als es normal ist, denn hier existiert etwas, das die physikalischen Gesetze
untergräbt. Drittens: Soweit wir wissen, sind alle anderen Sonnen auch
ausgegangen – das Licht, das wir noch
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