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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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von den Sternen am Himmel sehen, ist eine
Fossilradiation. Die haben schon längst aufgehört, zu leuchten.«
    Ich hole tief Luft und verlagere mein Gewicht von
einem Bein auf das andere. Chaitin sagt kein Wort, er sieht nur nach oben und
scheint über meine Worte nachzudenken. »Etwas frisst Energie und Information«,
sage ich. »Unser primäres Ziel hier lautete doch, herauszufinden, was vor sich
geht. Und ich sage, wir haben noch nichts herausgefunden. Und was Captain
Barnes nicht weiß, kann uns allen großen Schaden zufügen.«
    Chaitin starrt mich an.
    »Das macht doch Sinn, oder?«, meine ich. »Das hängt
doch alles zusammen.«
    Er hält eine Taschenlampe hoch und beleuchtet damit
sein Visier. Ich sehe, wie er mich angrinst und zwar mit einem Gesicht, das ich
noch nie zuvor gesehen habe. »Sehr gut«, lobt er mich. Dann lässt er die
Taschenlampe fallen und nimmt seinen Helm ab. Leuchtende Würmer winden und
krümmen sich hinter seinen Augenlidern und im leeren Kopf – genau wie bei dem
Wesen, das von Fred aus der Buchhaltung Besitz ergriffen hat. Die Luft, die aus
dem Anzug strömt, hüllt ihn in Dampfschwaden, als er sich vorbeugt, um nach mir
zu greifen. Nachdem die Finte mit dem Stecker nicht geklappt hat, versucht er,
mit meinem Körper in Kontakt zu treten. Nur ein Augenblick elektrischer
Übertragung hätte genügt, um …
    Das Wesen, das sich Chaitins Haut und Knochen
übergestülpt hat, kann nicht sonderlich intelligent sein. Es hat nämlich
vergessen, dass ich einen Schutzanzug trage, und dass diese Dinger dafür gemacht
sind, einiges auszuhalten. Trotzdem ist es ziemlich unheimlich. Ich lasse die
Tasche fallen und trete einen Schritt zurück, nur um beinahe das Gleichgewicht
zu verlieren und durch den schweren Rucksack nach hinten gerissen zu werden.
Der besessene Körper kommt näher, und ich sehe deutlich, wie Blut aus seiner
Nase strömt, während ich hektisch meine Basilisken-Waffe hervorziehe und mit
den Daumen die beiden roten Knöpfe drücke. Einen fürchterlichen Moment lang
glaube ich, dass die Waffe durch die Kälte keine Energie mehr gespeichert hat.
Doch dann bricht die Hölle los.
    Ungefähr ein Promille der Kohlenstoffnuklein Chaitins ehemaligem
Körper erhalten auf einen Schlag acht extra Protonen und sieben oder acht
Neutronen. Das Massendefizit ist gewaltig. Auf einmal entsteht mehr Energie als
eine kleine Atombombe abstrahlt. Das wirklich Schlimme daran ist jedoch die
Tatsache, dass jeder dieser Atomkerne ganze acht Elektronen vermisst, weshalb
sie verzweifelt ein instabiles Karbonsilikat-Zwischenstadium bilden und alle
Elektronen an sich ziehen, die nicht niet- und nagelfest sind. Dann
destabilisieren sie sich endgültig und lösen eine Lawine von
Säure-Base-Reaktionen aus, die sich durch das, was einmal ein menschlicher
Körper war, hindurchfressen. Chaitins Körper nimmt eine rötliche Färbung an, so
ähnlich wie ein elektrischer Heizstab. Dann fängt er an zu dampfen und sogar
der Schutzanzug beginnt zu schmelzen, während seine Haut schwarz wird und
reißt. Er wankt und stürzt in meine Richtung. Entsetzt schreie ich auf und
springe im letzten Moment beiseite. Als er auf dem Boden aufschlägt, zerbricht
er wie eine Statue aus heißem Glas.
    Als ich wieder klar denken kann, befinde ich mich auf
meinen Knien auf dem gefrorenen Boden und atme tief durch. Verzweifelt versuche
ich meinen Magen dazu zu überreden, sich zu beruhigen. Ich kann es mir nicht
leisten, mich zu übergeben, denn wenn ich mich in mein Visier erbreche, bin ich
tot. Und Alan wird nie erfahren, welchen Fehler er macht, wenn er die Bombe
zündet.
    Diese ganze Welt ist nichts anderes als eine riesige
Mausefalle – und zwar die eines körperraubenden Dämons, der geduldig und
bestens vorbereitet darauf wartet, dass wir kleinen schnuckeligen Zweibeiner
mit den süßen Knopfaugen unsere Nase in Dinge stecken, die gemeingefährlich
sind.
    Ich stehe auf und beobachte den Dampf, der aus den
geschmolzenen Mulden dringt, die meine Knie im Permafrost hinterlassen haben,
während ich weiterhin tief ein- und ausatme.
    Ich höre wieder statisches Rauschen, das in meinen
Ohren wie brutzelnder Speck klingt. Im Hintergrund erkenne ich nach einiger
Zeit eine Stimme, die die Sekunden bis zum künstlichen Sonnenaufgang zählt.
    Sie haben also einen Infofresser beschworen: etwas,
das Energie und Seelen frisst. Ein Wesen – weiß der Geier, welches – aus einem
toten Kosmos, in dem die Sterne schon längst verloschen und von

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